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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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aus verschiedenen Richtungen erfolgten und von unterschiedlicher Größenordnung waren. Wie die diversen Güter, die im Lagerhaus eines Amsterdamer Kaufmanns gestapelt waren, mochten sie von vielerlei Orten kommen und von unterschiedlichem Wert sein, doch am Ende kam es nur darauf an, wie viel Gold sie auf dem Damplatz einbrachten. Das für ein Pfund Malabar-Pfeffer bezahlte Gold wurde mit dem Gold verschmolzen, mit dem eine Bootsladung Nordsee-Hering bezahlt wurde, und das Ganze war schlicht Gold, das keinen Geruch und keine Spur mehr von dem Fisch oder dem Gewürz aufwies, die es eingebracht hatten. Im Falle der himmlischen Dynamik war das Gold – das universale Tauschmittel, auf das sich alles reduzieren ließ – die Kraft. Die von der Sonne auf den Saturn ausgeübte Kraft unterschied sich nicht von der, die Titan ausübte. Am Ende verbanden sich die beiden Kräfte zu einem Vektor, einer aus der Verbindung hervorgehenden Resultanten, die keine Spur mehr von ihren Ursprüngen aufwies. Es war eine mächtige Form von Alchimie, denn sie holte die Bewegungen der Himmelskörper aus der Unzugänglichkeit herab und brachte sie in Reichweite von Männern, welche die okkulten Künste der Geometrie und Algebra gemeistert hatten. Kräfte und Mysterien, die bisher ausschließlich Sache der Götter gewesen waren, maßte Isaac sich nun selbst an.
    Eine typische Folge dieser alchimistischen Verschmelzung von Kräften bestünde darin, dass ein auf dem wegführenden Ast einer Hyperbel in nahezu gerader Bahn die Sonne fliehender Komet, wenn er zufällig nahe an einem Planeten vorbeiflöge, von diesem angezogen würde. Die Sonne war keine absolute Monarchin. Sie besaß keine besondere gottgegebene Macht. Der Komet müsste sich ihrer Kraft nicht stärker unterwerfen als der Kraft bloßer Planeten – ja, er könnte die beiden nicht einmal als getrennte Einflüsse wahrnehmen, denn sie waren bereits in die universelle Währung der Kraft konvertiert und zu einem einzigen Vektor verschmolzen worden. Weit von der Sonne entfernt und nahe dem Planeten würde dessen Einfluss überwiegen, und der Komet würde einen scharfen Kurswechsel vollziehen.
    Und das tat auch Daniel, nachdem er fast einen Tag lang in nahezu gerader Linie durch das Sumpfland nordöstlich von Cambridge geritten war und den festgestampften, mit Scheiße durchsetzten Schlammstreifen, auf dem der Jahrmarkt von Stourbridge stattfand, überquert hatte: jäh einer Biegung des Cam folgend, schwenkte er in eine Umlaufbahn ein, deren Mittelpunkt eine bestimmte Zimmerflucht knapp neben dem Great Gate des Trinity College war.
    Daniel hatte noch immer einen Schlüssel zu der alten Wohnung, aber noch wollte er nicht hingehen. Er stellte sein Pferd in einem Mietstall hinter dem College unter und kam durch den Hintereingang herein, was sich als schlechte Idee erwies. Er wusste, dass man mit dem Bau von Wrens Bibliothek angefangen hatte, weil das Trinity ihn, Roger und jeden anderen um Spenden angegangen war. Und aufgrund der witzigen oder von Verzweiflung gekennzeichneten Zwischenberichte, die Wren der R. S. bei jeder Zusammenkunft gab, war ihm bekannt, dass das Projekt mehr als einmal unterbrochen und neu begonnen worden war. Über die praktischen Konsequenzen jedoch hatte er nicht nachgedacht. Die ehedem weichen Grünflächen zwischen der Cam und der Rückfront des College waren nun ein wüstes Lager von Arbeitern, ihren Zugtieren und ihrem Tross (nicht nur Huren, sondern auch fahrende Schankwirte, Werkzeugschleifer und Laufburschen). Daniel musste also zunächst einmal eine Zeit lang durch Pferdemist waten, in Sackgassen abirren, die einmal Bowling Greens gewesen waren, über Hühner stolpern und mehr oder weniger verlockende unsittliche Angebote ablehnen, ehe er die Bibliothek überhaupt deutlich zu Gesicht bekam.
    Cambridge war größtenteils in Dämmerung versunken, während Daniel sich einen Weg durch das Arbeiterlager gesucht hatte. Nicht, dass es einen großen Unterschied machte, denn der Himmel sah schon den ganzen Tag wie gehämmertes Blei aus. Aber das Obergeschoss der Wren Library lag hoch genug, um nach Westen in das Wetter von morgen zu blicken, das schön und klar sein würde. Das Dach stand größtenteils schon, und wo es noch nicht fertig war, wurde seine Form an den Trägern und Firstbalken aus roter Eiche erkennbar, die im warmen Licht des Sonnenuntergangs zu schwingen, die Strahlen nicht bloß abzuhalten, sondern im Gleichklang mit ihrem Leuchten zu summen

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