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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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nicht stimmt. Sie waren in London und beschützten den König. Warum ich nicht bei meinem Regiment war? Um darauf zu antworten, müsste ich erklären, was ich für John Churchill bin und was er für mich ist, was mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als es wert ist. Aufgrund meines fortgeschrittenen Alters – fast dreißig – und einer langen Dienstzeit bin ich ein sehr ranghoher Unteroffizier. Und wenn Ihr Euch im Militär auskenntet, würde Euch das einiges über die eigentümliche und irreguläre Art meiner Aufgaben sagen. Ich mache das, was zu schwer zu erklären ist.
    Nicht besonders klar, oder? Hier habe ich ein ganz gutes Beispiel: Ich ignorierte meine Befehle, zog meine Uniform aus, lieh mir Geld auf den guten Namen meines Herrn und buchte eine Überfahrt auf einem Schiff, das in Richtung Westen fuhr und mich schließlich nach Lyme Regis brachte. Bevor ich an Bord ging, schickte ich meinem Herrn die Nachricht, dass ich mich im Westen nützlich machte, wo, wie ich gehört hätte, ein paar Vagabunden gehängt werden wollten. Wie Ihr sicherlich gemerkt habt, war das sowohl eine Prophezeiung dessen, was bald geschehen würde, als auch eine Erinnerung an längst Vergangenes. Monmouth war nach Dorset gesegelt, weil es eine notorische Brutstätte der protestantischen Rebellion war. Von Ashe House, dem Familiensitz der Churchills, schaute man hinab auf den Hafen von Lyme Regis, der während des Bürgerkriegs Schauplatz einer trostlosen Belagerung gewesen war. Manche der Churchills waren Rundköpfe gewesen, andere Royalisten. Winston hatte sich auf die Seite der Royalisten geschlagen, hatte diesen aufrührerischen Ort an die Kandare genommen, und er und sein Sohn waren für ihre Anstrengungen zu bedeutenden Männern gemacht worden. Nun kam Monmouth – Johns alter Waffenbruder aus den Tagen der Belagerung von Maastricht -, um hier ein blutiges Gemetzel anzurichten. Damit würde Winston in den Augen des übrigen Parlaments entweder als dumm oder als illoyal dastehen, und Johns Loyalität würde es ebenfalls in Zweifel ziehen.
    Einige Jahre lang hat John zum Hofstaat des Herzogs von York – jetzt König James II. – gehört, aber seine Frau Sarah ist jetzt Hofdame bei der Tochter des Herzogs, Prinzessin Anne: einer Protestantin, die vielleicht eines Tages Königin ist. Und unter jenen Londonern, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verbreiten von Gerüchten verdienen, wurde dies so gedeutet, dass John seine Loyalität zum König nur vorspiegelt, während er den richtigen Moment abwartet, um diesen Papisten zu verraten und eine Protestantin auf den Thron zu bringen. Nichts als Hoftratsch – aber wie würde es aussehen, wenn Monmouth ausgerechnet Johns Familiensitz als Ausgangsbasis für eine protestantische Rebellion benutzte?
    Monmouths kleine Flotte ging zwei Tage, nachdem ich dort angekommen war, in Lyme Regis vor Anker. Die Stadt war im Taumel – sie dachten, Cromwell sei wieder auferstanden. Innerhalb eines Tages hatten sich fünfzehnhundert Mann um Monmouths Fahne geschart. Nahezu der Einzige, der ihn nicht mit offenen Armen empfing, war der Bürgermeister. Aber ich hatte ihm bereits dringend geraten, seine Taschen gepackt und seine Pferde gesattelt zu halten. Ich half ihm und seiner Familie, auf verschwiegenen Landstreicherpfaden aus der Stadt zu schlüpfen, und er schickte Boten zu den Churchills nach London. Auf diese Weise konnte Winston zum König gehen und sagen: »Meine Untertanen lehnen sich auf, und mein Sohn und ich tun Folgendes dagegen...«, statt aus heiterem Himmel von der Nachricht überrascht zu werden.
    Bis mein Regiment aus London kommen konnte, würde mindestens noch eine Woche vergehen – was bedeutete, dass Monmouth eine Woche Zeit hatte, seine Armee aufzustellen, und mir eineWoche blieb, in der ich mich nützlich machen konnte. Ich wartete in einer Schlange auf dem Marktplatz von Lyme Regis, bis der Schreiber meinen Namen in sein großes Buch eintragen konnte; ich sagte ihm, ich sei Jack Shaftoe, und unter diesem Namen trat ich in Monmouths Armee ein. Am nächsten Tag versammelten wir uns auf einem Feld oberhalb der Stadt, und ich bekam meine Waffe zugeteilt: eine Sichel, die ans Ende eines Stocks gebunden war.
    Die Begebenheiten der darauf folgenden Woche waren für John Churchill, als ich ihm die Geschichte später erzählte, durchaus von Bedeutung, aber für Euch wären sie eher langweilig. Nur eins könnte für Euch interessant sein, und das trug sich in Taunton zu. Taunton ist eine

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