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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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der die Schlachten gewann, und mein Regiment war es, das wie immer das Kämpfen besorgte. Der Herzog von Grafton erschien an der Spitze einer Kavallerieeinheit und kämpfte einmal gegen Monmouth. Das Gefecht an sich war völlig unbedeutend, ich erwähne es jedoch, um ein bisschen Farbe in die Geschichte zu bringen, denn Grafton ist eins der unehelichen Kinder von Charles II., genau wie Monmouth selbst!
    Aufregend wurde der Feldzug nur durch Fevershams unwiderstehlichen Schlafdrang. Der ließ es, zusammen mit seiner Unfähigkeit, wenigstens wenn er wach war, Dinge zu regeln, für ein oder zwei Tage so scheinen, als hätte Monmouth eine Chance. Ich lag die meiste Zeit auf dem Bauch und erholte mich von der Mistgabelwunde. Und schätze mich glücklich deswegen, denn ich hatte und habe für den König nichts übrig, und ich mochte diese bäuerlichen Nonkonformisten mit ihren Sicheln und Donnerbüchsen.
    Am Ende ließ Monmouth diese Männer im Stich, während sie noch für ihn kämpften und starben. Wir fanden ihn zusammengekauert in einem Graben. Er wurde in den Tower nach London gebracht und starb einen unwürdigen Tod.
    Die Bauern und Handwerker aus Lyme Regis und Taunton, die Monmouths Armee gebildet hatten, waren durch und durch Engländer, was bedeutet, dass sie nicht nur vernünftige, ehrbare, besonnene, gemäßigte Leute waren, sondern sich gar nicht vorstellen konnten, anders zu sein, und auch noch nie so etwas gehört hatten. Es war ihnen einfach nicht in den Sinn gekommen, dass Monmouth sie verlassen und versuchen würde, von der Insel zu fliehen. Mir dagegen war es in den Sinn gekommen, denn ich hatte jahrelang auf dem Kontinent gekämpft.
    Ebenso wenig konnten sie sich die Unterdrückung vorstellen, die nun folgte. Wie sie so in ihrer grünen ländlichen Gegend oder ihren verschlafenen Marktflecken lebten, hatten sie keinerlei Verständnis für die erhitzten Gemüter der Londoner. Wenn Ihr eine Menge Theaterstücke besucht, wie Jack und ich es taten, werdet Ihr sehr bald merken, dass die Stückeschreiber nur eine bestimmte Anzahl an Geschichten zur Verfügung haben. Also benutzen sie sie immer wieder. Oft, wenn man in eine Vorstellung schlüpft, die gerade begonnen hat, kommen einem die Figuren und Situationen merkwürdig bekannt vor, und bis die erste Szene vorbei ist, erinnert man sich, dass man das schon mehrmals gesehen hat – abgesehen davon, dass es in der Toskana statt in Flandern spielte, der Schulmeister ein Pfarrer und der senile Oberst ein einfältiger Admiral war. In ähnlicher Weise ist den Vornehmen und Mächtigen Englands die Geschichte Cromwells im Gedächtnis haften geblieben, und immer wenn etwas auch nur leicht Beunruhigendes passiert – vor allem wenn es auf dem Land ist und mit Nonkonformisten zu tun hat – beschließen sie, ohne zu zögern, dass der Bürgerkrieg von neuem ausgebrochen ist. Sie wollen nur herausfinden, wer die Rolle Cromwells spielt, und seinen Kopf auf einen Stock spießen. Der Rest muss niedergemacht werden. Und so wird es weitergehen, bis die Männer, die über England herrschen, sich eine neue Geschichte einfallen lassen.
    Schlimmer noch, Feversham war ein französischer Adliger, für den die paisants (wie er diese Leute nannte) nur Anzündholz darstellten, das in den Kamin gesteckt werden musste. Als er fertig war, hatte jeder Baum in Dorset tote Freibauern, Stellmacher, Küfer und Bergleute an seinen Ästen hängen.
    Churchill wollte damit nichts zu tun haben. Er begab sich zusammen mit seinem Regiment – ich selbst eingeschlossen – so schnell wie möglich zurück nach London. Feversham hatte prompt Geschichten über den glorreichen Kampf in Umlauf gesetzt. Sich selbst hatte er bereits zum Helden gemacht, und jeder andere Teil der Geschichte wurde ebenfalls zu etwas viel Großartigerem aufgebläht, als es tatsächlich gewesen war. Der Graben, in dem wir Monmouth gefangennahmen, schwoll in der Version der Geschichtenerzähler zu einem reißenden Sturzbach mit Namen »Black Torrent« an. Der König war von diesem Teil der Geschichte so ergriffen, dass er meinem Regiment einen neuen Namen gab:Wir sind jetzt und für alle Zeit die King’s Own Black Torrent Guards.
    Und nun kann ich endlich mit Euch über die Sklaverei sprechen, die Jack zufolge eine Praxis ist, über die Ihr unumstößliche Ansichten vertretet.
    Der Lord Oberrichter ist ein Bursche namens Jeffreys, der selbst in den besten Zeiten für Grausamkeit und Niedertracht bekannt war. Er hat sein Leben

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