Quicksilver
– die Tochter der Marquise d’Ozoir -, hat begonnen, diese Schule zu besuchen, was meine Position überflüssig macht. Bis jetzt war noch nicht die Rede davon, dass ich gehen solle. Ich habe meine freie Zeit gut genutzt, indem ich zwei Reisen nach Lyon unternahm, um zu erfahren, wie dort der Handel funktioniert. Aber anscheinend hat Édouard de Gex bei der Maintenon Geschichten über meine große Begabung als Lehrerin verbreitet, und die wiederum hat angefangen davon zu reden, dass sie mich als Lehrerin nach St-Cyr bringen will.
Habe ich erwähnt, dass die Lehrerinnen dort alle Nonnen sind?
De Maintenon und de Gex hüllen sich so sehr in eine vordergründige Frömmigkeit, dass ich ihre wahren Motive nicht erkennen kann. Es ist fast denkbar, dass sie ganz im Ernst glauben, ich sei eine gute Anwärterin für das Kloster – mit anderen Worten, dass sie von weltlichen Dingen zu weit entfernt sind, um meine tatsächliche Funktion hier zu verstehen.Vielleicht wissen sie aber auch ganz genau, dass ich das Kapital von einundzwanzig verschiedenen französischen Adligen verwalte und wollen mich deshalb aus dem Weg schaffen – oder mich in ihre Hand bekommen, indem sie es mir androhen.
Zum Geschäft: Die Einkünfte für das erste Quartal 1687 waren zufrieden stellend, wie Ihr ja wisst, da Ihr selbst Kunde seid. Ich habe das ganze Geld zusammen in einen Fonds gesteckt und zum größten Teil über Unterhändler in Amsterdam investiert, die sich auf bestimmte Waren oder Arten von V.O.C.-Derivaten spezialisiert haben. Dank König Ludwig, der ihn zu Schmuggelware machte und damit den Preis in die Höhe trieb, verdienen wir immer noch Geld mit indischem Stoff. Die V.O.C.-Aktien dagegen sind gefallen, nachdem Wilhelm von Oranien die Augsburger Allianz ausrief. Wilhelm mag sich in Prahlereien darüber ergehen, wie die protestantische Allianz der Macht Frankreichs jetzt Zügel anlegen wird, aber sein eigener Aktienmarkt scheint dem Projekt außerordentlich geringe Erfolgsaussichten einzuräumen! Ebenso wie der hiesige Hof – tout le monde findet es schrecklich amüsant, dass Wilhelm, Sophie von Hannover und ein Sammelsurium weiterer halb erfrorener Lutheraner glauben, sie könnten La France die Stirn bieten. Allenthalben wird schon die Forderung laut, Pater de Gex und Marschall de Catinat, die die Protestanten in Savoyen mit solcher Gewalt unterdrückten, sollten jetzt gen Norden reiten und den Holländern und Deutschen dieselbe Behandlung zukommen lassen.
Meine Rolle besteht im Augenblick darin, alle persönlichen Gefühle, die ich im Zusammenhang mit der Politik haben könnte, beiseite zu lassen und nur darüber nachzudenken, inwiefern die Märkte davon betroffen sein könnten. Der Boden hier ist nachgiebig – ich komme mir vor wie eine Stute, die einen schlammigen Strand entlanggaloppiert und, vor lauter Angst, auf Treibsand zu treten, dauernd fürchtet, sie könnte straucheln. Angesichts der Tatsache, dass die Märkte in Amsterdam stündlich schwanken, kann ich Kapital im Grunde nicht von Versailles aus verwalten – tägliche Käufe und Verkäufe werden von meinen Geschäftspartnern im Norden getätigt.
Aber man wird keinen französischen Adligen Geschäfte mit holländischen Häretikern und spanischen Juden machen sehen. Deshalb bin ich eine Art Galionsfigur, so wie die hübsche Meerjungfrau am Bug eines Schiffes, das mit den Schätzen anderer Leute beladen und mit dunkelhäutigen Korsaren bemannt ist. Das einzig Positive daran ist, dass man in dieser Position eine ausgezeichnete Sicht nach vorne und jede Menge Zeit zum Nachdenken hat. Helft mir, Monseigneur, einen möglichst klaren Blick auf die Fluten zu gewinnen, die wir alsbald durchpflügen werden. Ich werde den Gedanken nicht los, dass ich in ein oder zwei Jahren gezwungen sein werde, das Kapital all meiner Kunden auf den Ausgang großer Ereignisse zu setzen. Um die Zeit von Monmouths Rebellion war das Investieren nicht schwer, denn ich kannte Monmouth und wusste, wie sie ausgehen würde. Nun kenne ich Wilhelm auch – nicht so gut, aber gut genug, um zu wissen, dass ich nicht mit Sicherheit gegen ihn wetten kann. Monmouth war ein Steckenpferd, und Wilhelm ist ein Zuchthengst. Erfahrung, die ich beim Reiten auf dem ersten gesammelt habe, kann mir nur eine falsche Vorstellung davon vermitteln, was es sein wird, auf dem zweiten zu reiten.
Deshalb informiert mich, Monseigneur. Erzählt mir von den Dingen. Ihr wisst, dass Eure Nachricht dank der Vortrefflichkeit dieser
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