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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sagen würde, der lebenden Verkörperung des Janus. Denn der gute Mann hat mit der einen Hand das Cryptonomicon und mit der anderen das Universale Zeichen geschrieben; er war gut Freund mit hoch gestellten und mächtigen Royalisten und hat gleichzeitig Cromwells eigene Schwester umworben und geheiratet; und war insgesamt auf vielfältige Weise, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, janusköpfig. Und Ihr seid wahrhaftig sein Schüler, sein Geschöpf: Mal streut Ihr Informationen wie ein Merkur, dann wieder seid Ihr verschlossen wie Pluto.
WATERHOUSE: Mentor war eine von der Minerva gewählte Verkleidung, und ihr Schüler war der große Ulysses; indem ich mich also an eine streng klassische Auslegung Eurer Worte halte, Sir, werde ich mich bemühen, keine Kränkung darin zu sehen.
APTHORP: Bemüht Euch erfolgreich, mein Bester, denn es war keine Kränkung beabsichtigt. Guten Tag.
Geht ab.
Auftritt Ravenscar, in der Hand Principia Mathematica.
RAVENSCAR: Ich werde das sofort zum Drucker bringen, aber zuvor habe ich noch über die Sache zwischen Newton und Leibniz nachgedacht …
WATERHOUSE: Was? Jack Ketchs Darbietung hat keinen Eindruck auf Euch gemacht?
RAVENSCAR: Ach das? Ich nehme an, Ihr habt das so arrangiert, um Eure Position als des Königs stiefelleckender Vorzeigepuritaner zu untermauern – während Ihr in Wirklichkeit in den Herzen und Hirnen der Reichen und Mächtigen aufrührerische Gesinnungen wachruft. Verzeiht mir, dass ich Euch kein Kompliment gemacht habe.Vor zwanzig Jahren hätte ich das Ganze bewundert, aber nach meinen heutigen Maßstäben ist es nur eine mäßig raffinierte Scharade. Die Sache zwischen Newton und Leibniz ist viel interessanter.
WATERHOUSE: Fahrt fort.
RAVENSCAR: Descartes hat schon vor Jahren erklärt, dass sich die Planeten um die Sonne bewegen wie Papierzettel, die von einem Windwirbel erfasst worden sind. Leibniz’ Einwand ist somit unbegründet – es gibt nichts Rätselhaftes, und deshalb hat Newton auch keine Probleme vertuscht.
WATERHOUSE: Leibniz hat jahrelang versucht, aus Descartes’ Dynamik schlau zu werden, und hat es schließlich aufgegeben. Descartes hatte Unrecht. Seine Theorie der Dynamik ist schön, insofern sie rein geometrisch und mathematisch ist. Aber wenn Ihr diese Theorie mit der Welt, wie sie wirklich ist, vergleicht, erweist sie sich als vollendete Katastrophe. Die ganze Vorstellung von Wirbeln stimmt nicht. Es besteht kein Zweifel, dass das Gesetz des inversen Quadrats existiert und dass es die Bewegungen sämtlicher Himmelskörper auf Kegelschnitten bestimmt. Aber das hat nichts mit Wirbeln oder dem himmlischen Äther oder sonst irgendeinem Unsinn zu tun.
RAVENSCAR: Was ist dann die Ursache?
WATERHOUSE: Isaac sagt, Gott bzw. Gottes Präsenz in der Welt. Leibniz sagt, es muss sich um so etwas wie eine Interaktion zwischen Teilchen handeln, die so winzig sind, dass wir sie nicht sehen können …
RAVENSCAR: Atome?
WATERHOUSE: Atome könnten – um eine lange Geschichte abzukürzen und alles Interessante wegzulassen – sich nicht schnell genug bewegen und verändern. Leibniz spricht von Monaden, die noch fundamentaler sind als Atome. Wenn ich es Euch zu erklären versuche, werden wir beide Kopfschmerzen bekommen. Es genügt wohl, wenn ich sage, dass er sich damit mächtig ins Zeug legt und wir zu gegebener Zeit mehr von ihm hören werden.
RAVENSCAR: Das ist aber merkwürdig, denn in einem Brief an mich betont er, dass er sich nun, da er den integralen Kalkül veröffentlicht hat, genealogischen Forschungen zuwenden will.
WATERHOUSE: Mit dieser Art von Arbeit sind viele Reisen verbunden, und der Doktor leistet sein Bestes, wenn er in seiner Kutsche auf dem Kontinent umherrattert. Er kann beides, und noch mehr, gleichzeitig tun.
RAVENSCAR: In der Entscheidung zu historischen Studien wird mancher das Eingeständnis einer Niederlage gegenüber Newton sehen. Ich selbst verstehe einfach nicht, wieso er seine Zeit damit vergeuden will, alte Familienstammbäume auszugraben.
WATERHOUSE: Vielleicht bin ich nicht der einzige Naturphilosoph, der bei Bedarf eine ›mäßig raffinierte Scharade‹ zustande bringt.
RAVENSCAR: Wovon redet Ihr eigentlich?
WATERHOUSE: Grabt ein paar alte Familienstammbäume aus, löst Euch von der Annahme, Leibniz sei ein geschlagener Einfaltspinsel, und überlegt. Wendet Euren philosophischen Scharfsinn an: Macht Euch zum Beispiel klar, dass die Kinder von Syphilitikern oft selbst Syphilitiker sind und außerstande,

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