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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zur Tür hereingekommen war, beherrschte er das Gespräch; für den Rest des Abends reagierten alle anderen nur noch auf Fatio. Das kam Eliza durchaus zupass; es sorgte für Dauerfrustration bei Daniel Waterhouse, was ihr sehr recht war, und verschaffte ihr Muße zum Beobachten. Gleichwohl fragte sie sich, woher die Energie kam, die einen Fatio in Gang hielt; er war die lauteste und schnellste Uhr im Raum und musste eine innere Triebfeder haben, die sehr straff gespannt war. Er zeigte keinerlei erotisches Interesse an Eliza, und das war eine Erleichterung, denn sie wusste, dass er in seinem Werben unermüdlich und wahrscheinlich ermüdend wäre.
    Warum warfen sie Fatio nicht einfach hinaus und aßen in Ruhe miteinander? Weil er tatsächlich etwas zu bieten hatte. Konfrontiert mit einem Niemand, der so verzweifelt darauf bedacht war, etwas zu gelten, hielt Eliza (und, so folgerte sie, auch Waterhouse) ihn im ersten Moment für einen Poseur. Aber das war er nicht. Kaum war er dahinter gekommen, dass Eliza keine Katholikin war, wusste er Interessantes zur Religion und zum Zustand der französischen Gesellschaft zu sagen. Kaum war er dahinter gekommen, dass Waterhouse kein Alchimist war, begann er sich auf eine Weise über mathematische Funktionen zu verbreiten, die den Engländer schlagartig hellwach werden ließ. Und Huygens gab, als er endlich aufwachte und herunterkam, durch seine Behandlung Fatios zu erkennen, dass er ihn für ebenbürtig hielt – oder der Ebenbürtigkeit zumindest so nahe, wie man es bei einem Mann wie Huygens nur sein kann.
    »Ein Mann von meinem zarten Alter und meinen bescheidenen Leistungen kann dem Herrn gar nicht genug Ehre erweisen, der einmal an diesem Tisch saß -«
    »Genau genommen hat Descartes oft hier gespeist – nicht bloß einmal!«, warf Huygens schroff ein.
    »- und sein Vorhaben dargelegt, die physische Wirklichkeit mit der Mathematik zu erklären«, schloss Fatio.
    »So würdet Ihr nicht von ihm reden, wenn Ihr nicht etwas gegen ihn sagen wolltet«, sagte Eliza.
    »Nicht gegen ihn, aber gegen einige seiner gegenwärtigen Anhänger. Das von Descartes begonnene Projekt ist beendet! Mit Wirbeln kommt man einfach nicht weiter! Mich wundert, dass Leibniz noch irgendwelche Hoffungen auf sie setzt.«
    Alles setzte sich aufrechter. »Vielleicht habt Ihr ja neuere Nachricht von Leibniz als ich, Sir«, sagte Waterhouse.
    »Ihr billigt mir mehr Ehre zu, als mir gebührt, Dr.Waterhouse, wenn Ihr unterstellt, Leibniz würde mir seine neuesten Einsichten mitteilen, ehe er sie der Royal Society übermittelt! Bitte korrigiert mich.«
    »Es ist nicht so, dass Leibniz eine besondere Vorliebe für Wirbel hätte, sondern er bringt es nur nicht über sich, an irgendeine geheimnisvolle Fernwirkung zu glauben.« Als Huygens das hörte, hob er kurz die Hand, wie um einen Antrag zu unterstützen. Fatio entging das nicht. Waterhouse fuhr fort: »Fernwirkung ist so etwas wie ein okkulter Begriff – der einer bestimmten Geisteshaltung zusagen mag -«
    »Nicht aber denen von uns, die sich die mechanische Philosophie zu Eigen gemacht haben, die Monsieur Descartes an ebendiesem Tisch zur Debatte gestellt hat!«
    »Auf ebendiesem Stuhl, Sir!«, sagte Huygens und zeigte mit einer Gänsekeule auf Fatio.
    »Ich habe meine eigene Theorie der Gravitation, welche das Gesetz des inversen Quadrats erklären dürfte«, sagte Fatio. »Wie ein ins Wasser geworfener Stein sich ausbreitende Kräuselwellen erzeugt, so erzeugt ein Planet konzentrische Bewegungen im himmlischen Äther, die auf seine Satelliten wirken...«
    »Schreibt es auf«, sagte Waterhouse, »und schickt es mir, dann drucken wir es zusammen mit Leibniz’ Abhandlung, und möge der Bessere sich durchsetzen.«
    »Ich nehme Euer Angebot dankbar an!« sagte Fatio und warf einen raschen Blick auf Huygens, um sich zu vergewissern, dass er einen Zeugen hatte. »Aber ich fürchte, wir langweilen Mademoiselle Eliza.«
    »Keineswegs, Monsieur, jedes Gespräch, das einen Bezug zu dem Doktor hat, ist für mich von Interesse.«
    »Gibt es eigentlich ein Thema, das nicht auf irgendeine Weise mit Leibniz zu tun hat?«
    »Die Alchimie«, sagte Waterhouse finster.
    Fatio, dessen Hauptziel im Moment darin bestand, Eliza ins Gespräch zu ziehen, ignorierte das. »Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob wir in der Bildung der Augsburger Allianz die Hand des Doktors erkennen können.«
    »Ich würde meinen, nein«, sagte Eliza. »Es ist schon lange Leibniz’ Traum, die

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