Quicksilver
Huygens war das ein verdammungswürdiges Ärgernis, denn die feuchte Luft fing das Strahlen all dieser Lichter und Lampen ein und schimmerte schwach, auf eine Weise, welche die meisten Menschen nie bemerken würden. Aber es ruinierte den Blick durch sein Fernrohr.
Binnen weniger Minuten hatten sich die beiden älteren Männer in die Arbeit vertieft, das Fernrohr auf den Saturn auszurichten: einen Himmelskörper, der deutlich zu erkennen sein würde, ganz gleich wie viele Kerzen im Binnenhof brannten. Fatio glitt zu Eliza hinüber, um ihr Gesellschaft zu leisten.
»Nun wollen wir alle Formalitäten beiseite lassen und ohne Umschweife reden«, sagte sie.
»Wie Ihr wünscht, Mademoiselle.«
»Ist diese Vorstellung von der jacht und den Dragonern eine Phantasie von Euch oder -«
»Sagt mir, wenn ich Unrecht habe: An Vormittagen, an denen das Wetter nicht absolut scheußlich ist und der Wind vom Meer her weht, begibt sich der Prinz um zehn Uhr zu seinem Bootshaus am Strand von Scheveningen, sucht sich einen Sandsegler aus und steuert ihn nordwärts den Strand entlang bis zu den Dünen bei Katwijk – an klaren Tagen wagt er sich sogar bis Noordwijk -, dann wendet er und ist um Mittag wieder zurück in Scheveningen.«
Da Eliza ihm nicht die Befriedigung gönnen wollte, ihn merken zu lassen, dass er Recht hatte, antwortete sie: »Ihr habt die Gewohnheiten des Prinzen studiert?«
»Ich nicht, aber Graf Fenil.«
»Fenil – den Namen habe ich im Salon der Gräfin von Oyonnax gehört – er stammt aus jener Gegend, wo die Schweiz, Savoyen, Burgund und Piemont ineinander verhakt sind, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und er ist Katholik und frankophil.«
»Nominell ist er Savoyarde, aber er hat sehr früh erkannt, dass Ludwig XIV. den Herzog von Savoyen in den Schatten stellen und sein Herrschaftsgebiet schlucken würde, deshalb wurde er französischer als die Franzosen und diente in der Armee von Louvois. Doch nach der jüngsten Machtdemonstration der französischen Armee in unmittelbarer Nähe seiner Ländereien hat Fenil offenbar das Gefühl gehabt, ein weiterer Erweis seiner Loyalität sei vonnöten. Also hat er den von mir erwähnten Plan gefasst, Wilhelm am Strand entführen und in Ketten nach Frankreich schaffen zu lassen.«
Sie waren an einer Ecke stehen geblieben, von der aus sie über den Plein auf den Binnenhof schauen konnten. Eliza war er (zumindest nach europäischen Maßstäben) grandios erschienen, als sie mit d’Avaux dort Schlittschuhlaufen gegangen war. Nun, da sie sich an Versailles gewöhnt hatte, sah er wie ein Holzschuppen aus. Für das abendliche Fest erleuchtet, war er so grandios, wie er je sein würde. William Penn würde dort sein, und diverse Angehörige des diplomatischen Corps – darunter auch d’Avaux, der sie eingeladen hatte, als seine Begleiterin daran teilzunehmen. Sie hatte zugesagt, es sich dann aber anders überlegt, um das heutige Essen veranstalten zu können. D’Avaux war davon nicht erbaut gewesen und hatte Fragen gestellt, die schwer zu beantworten waren. Nachdem d’Avaux sie erst einmal rekrutiert und nach Versailles geschickt hatte, hatte sich ihr Verhältnis in das eines Herrn zu seinem Vasallen gewandelt. Er hatte sie seine harten, grausamen, rachsüchtigen Seiten sehen lassen, hauptsächlich als implizite Warnung davor, was passieren würde, wenn sie ihn enttäuschte. Eliza nahm an, dass es d’Avaux gewesen sein musste, der Fenil Informationen über Wilhelms Tagesablauf geliefert hatte.
Bis jetzt war es ein milder Winter gewesen, und der Hofvijver vor dem Binnenhof war noch nicht gefroren, ein schwarzes Rechteck, in dem sich der Kerzenlichtschimmer der Abendgesellschaft spiegelte, während Windstöße die Wasseroberfläche kräuselten. Eliza entsann sich ihrer eigenen Entführung von einem Strand, und ihr war nach Weinen zumute. Fatios Geschichte mochte wahr sein oder auch nicht, doch in Verbindung mit einigen spitzen Bemerkungen, die d’Avaux zuvor ihr gegenüber gemacht hatte, hatte sie echte Melancholie in ihr Herz gesenkt. Eine Melancholie, die nichts mit einem bestimmten Mann oder Plan oder Ergebnis zu tun hatte, sondern dem schwarzen Wasser glich, welches das Licht verschluckte.
»Woher wisst Ihr, was M. le Comte de Fenil vorhat?«
»Ich habe meinen Vater in Duillier – unserem Familiensitz in der Schweiz – besucht. Fenil kam zu Besuch. Ich bin mit ihm spazieren gegangen, und er hat mir erzählt, was ich Euch erzählt habe.«
»Er muss schwachsinnig sein,
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