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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Menschen häufig in der einen oder anderen Hinsicht absonderlich sind. Ich habe mir angewöhnt, sie ausfindig zu machen und keinem mehr zu trauen, der keine Absonderlichkeiten aufweist. Eure merkwürdigen Gedanken zur Sklaverei sind für mich von keinerlei Interesse. Aber dass Ihr merkwürdige Gedanken hegt, veranlasst mich, Euch ein klein wenig Vertrauen zu schenken.«
    »Wenn Ihr meinem Urteilsvermögen traut, so ist der schlanke Puritaner derjenige, den es im Auge zu behalten gilt.«
    »Aber er hat keine riesigen Ländereien in Amerika, kein Geld, keine Anhänger!«
    »Eben deshalb. Ich möchte wetten, er hat einen Vater gehabt, der sehr stark war, wahrscheinlich auch ältere Brüder. Er ist oft behindert und gebremst worden, hat nie geheiratet, hat nicht einmal den bescheidenen, schlichten Erfolg genossen, ein Kind zu haben, und ist nun an dem Punkt in seinem Leben angelangt, wo er sich einen Namen machen oder scheitern muss. Das hat sich in seinem Denken mit der bevorstehenden Rebellion gegen den englischen König vermengt. Er hat beschlossen, sein Leben darauf zu setzen – wobei es nicht um Leben oder Tod geht, sondern darum, etwas aus seinem Leben zu machen oder nicht.«
    Wilhelm wand sich unbehaglich. »Ich bete darum, dass Ihr nie so tief in mich hineinschaut.«
    »Warum? Vielleicht würde Euch das gut tun.«
    »Nein, nein, Ihr gleicht einem Fellow der Royal Society, der bei lebendigem Leib einen Hund seziert – Ihr habt einen Zug von gelassener Grausamkeit.«
    » Ich? Und was ist mit Euch? Ist Kriegführen etwa menschenfreundlich?«
    »Die meisten Männer würden sich lieber von einem Pfeil mit breitköpfiger Spitze durchbohren als von Euch beschreiben lassen.«
    Eliza musste unwillkürlich lachen. »Ich finde meine Beschreibung des Schlanken überhaupt nicht grausam. Ganz im Gegenteil, ich glaube, er wird Erfolg haben. Nach diesem Stapel von Briefen zu urteilen, stehen viele mächtige Engländer hinter ihm. So viele Anhänger zu sammeln und dem König gleichzeitig so nahe zu bleiben ist sehr schwierig.« Eliza hoffte, dass der Prinz nun irgendeine Information darüber fallen lassen würde, wer die Briefschreiber waren. Aber Wilhelm durchschaute diesen Schachzug fast schon, bevor sie die Worte äußerte, und wandte den Blick von ihr ab.
    »Es ist sehr gefährlich. Übereilt. Wahnsinnig. Ich frage mich, ob ich einem Mann trauen soll, der einen dermaßen verzweifelten Plan fasst.«
    Kurzes Schweigen. Dann brach in einem knallenden, prasselnden Funkenschauer eines der Scheite im Herd auseinander.
    »Wollt Ihr, dass ich in der Sache irgendetwas unternehme?«
    Erneutes Schweigen, doch diesmal lag die Last einer Antwort bei Wilhelm. Eliza konnte sich entspannen und sein Gesicht betrachten. Seinem Gesicht war anzusehen, dass er sich nicht gern in dieser Lage befand.
    »Ich habe in Versailles etwas Wichtiges für Euch zu tun«, räumte er ein, »und kann es mir nicht leisten, Euch nach London zu schicken, damit Ihr Euch um Daniel Waterhouse kümmert. Aber was ihn angeht, seid Ihr in Versailles vielleicht ohnehin nützlicher.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Wilhelm machte weit die Augen auf, holte tief Atem, ließ ihn seufzend entweichen und lauschte dabei mit klinischer Sachlichkeit auf seine Lunge. Er setzte sich gerader, ohne dass sich an dem Eindruck, der Stuhl sei zu groß für seinen kleinen, gekrümmten Körper, etwas änderte, und blickte aufmerksam ins Feuer. »Ich kann Waterhouse sagen, er soll vorsichtig sein, und er wird sagen, ›Ja, Sire‹, aber das heißt alles nichts. Er wird nicht wirklich vorsichtig sein, solange er nicht etwas hat, wofür er leben will.« Wilhelm sah Eliza unverwandt in die Augen.
    »Ihr wollt, dass ich ihm das liefere?«
    »Ich kann es mir nicht leisten, ihn und die Leute, die ihre Unterschriften unter diese Briefe gesetzt haben, zu verlieren, bloß weil er plötzlich zu dem Schluss kommt, dass es ihm gleich ist, ob er lebt oder stirbt. Ich möchte ihm einen Grund dafür liefern, dass es ihm nicht gleich ist.«
    »Das lässt sich leicht machen.«
    »So? Mir fällt nicht einmal ein Vorwand ein, unter dem man Euch beide miteinander in ein Zimmer bekäme.«
    »Ich habe noch eine Absonderlichkeit, Sire; ich interessiere mich für Naturphilosophie.«
    »Ja, richtig, Ihr wohnt ja bei Huygens.«
    »Und im Augenblick ist gerade ein weiterer Freund von Huygens in der Stadt, ein Schweizer Mathematiker namens Fatio. Er ist jung und ehrgeizig und möchte unbedingt Beziehungen zur Royal

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