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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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katholische und die lutherische Kirche wiederzuvereinigen und einen zweiten Dreißigjährigen Krieg zu verhindern. Mir sieht die Allianz jedoch sehr nach Kriegsvorbereitung aus. Das entspricht nicht der Vorstellung des Doktors, sondern der des Prinzen von Oranien.«
    »Der Verteidiger des protestantischen Glaubens«, sagte Fatio. Eliza war daran gewöhnt, diesen Ausdruck mit französischem Sarkasmus getränkt zu hören, aber Fatio äußerte ihn bedachtsam, wie ein Naturphilosoph, der eine unbewiesene Hypothese wägt. »Unsere Nachbarn in Savoyen hätten Verteidigung gebrauchen können, als de Catinat mit seinen Dragonern durchzog. Ja, in dieser Angelegenheit kann ich dem Doktor nicht beipflichten, so wohlmeinend er auch ist... wir brauchen einen Verteidiger, und Wilhelm von Oranien ist gut dazu geeignet, vorausgesetzt, er gerät nicht den Franzosen in die Klauen.« Fatio starrte Eliza an, während er das sagte.
    Huygens schmunzelte. »Das dürfte leicht zu machen sein, da er niemals holländischen Boden verlässt.«
    »Aber die Küste ist lang und weitgehend unbesiedelt, und die Franzosen könnten eine Streitmacht anlanden, wo sie wollten.«
    »Französische Flotten segeln nicht die holländische Küste auf und ab, ohne Aufmerksamkeit zu erregen«, sagte Huygens, von dem Gedanken noch immer belustigt.
    Den Blick weiterhin auf Eliza gerichtet, erwiderte Fatio: »Ich habe nichts von einer Flotte gesagt. Eine einzige jacht würde ausreichen, um eine Bootsladung Dragoner auf dem Strand abzusetzen.«
    »Und was würden diese Dragoner gegen die Macht der holländischen Armee ausrichten?«
    »Sich vernichten lassen, wenn sie so dumm wären, auf dem Strand zu lagern und darauf zu warten, dass diese Arme mobilisiert wird«, antwortete Fatio. »Aber wenn sie vormittags, zur rechten Zeit, zufällig an dem Strandabschnitt anlandeten, wo Wilhelm sandsegeln geht, könnten sie mit der Arbeit von wenigen Augenblicken die Karte Europas neu zeichnen und seine künftige Geschichte umschreiben.«
    Nun hörte man ungefähr eine Minute lang nichts als die Uhren. Noch immer hielt Fatio Eliza mit seinen riesigen Augen fest, gewaltigen blauen Linsen, in denen sich alles Licht im Raum zu bündeln schien. Was mochten sie nicht alles bemerkt haben, und was mochte der Verstand hinter ihnen nicht alles wissen?
    Andererseits, welche Kniffe konnte dieser Verstand nicht ersinnen, und wen konnte er mit diesen Augen nicht umstricken?
    »Ein schlauer Einfall, wie ein Kapitel aus einem Abenteuerroman«, sagte Eliza. Fatios hohe Stirn runzelte sich, und die Augen, die eben noch so durchdringend gewirkt hatten, bekamen etwas Flehendes. Eliza warf einen flüchtigen Blick zur Treppe hin. »Würdet Ihr nun, da Fatio uns Unterhaltung verschafft hat, für Erhebung sorgen, Monsieur Huygens?«
    »Wie darf ich dieses Wort verstehen?«, gab Huygens zurück. »Das letzte Mal, als einer Eurer Gäste in meinem Hause Erhebendes erlebte, musste ich wegsehen.«
    »Erhebt uns auf das Dach, wo wir die Sterne und Planeten betrachten können, und dann erhebt unsere Herzen, indem Ihr uns mit Eurem Fernrohr ein neues Phänomen zeigt«, antwortete Eliza geduldig.
    »In Gesellschaft wie dieser müssen wir alle einander erheben, denn ich habe diesen Männern nichts voraus«, sagte Huygens. Dies löste einen langen, langweiligen Schwall von Selbstherabwürdigungen vonseiten Fatios und Waterhouse’ aus. Doch bald darauf hatten sie alle ihre Wintermäntel an, mühten sich eine tückische, enge Treppe hinauf und traten ins Sternenlicht. Die einzigen Wolken an diesem Himmel waren diejenigen, die sich beim Atmen vor ihren Lippen bildeten. Huygens entzündete eine Tonpfeife. Fatio, der Huygens schon einmal geholfen hatte, nahm mit der übernervösen Präzision eines Kolibris die Abdeckung von dem großen Newtonschen Reflektor, spitzte dabei ein Ohr in Richtung Huygens und Waterhouse, die sich über Optik unterhielten, und hielt ein Auge auf Eliza, die an der Brüstung entlangschlenderte und die Aussicht genoss: im Osten der Haagse Bos, verschwommen und schwarz von Bäumen; im Süden die rauchenden Schornsteine und schimmernden Fenster des Hofgebied; im Westen die windige Weite des Plein, die sich bis zum Grenadierstor am anderen Ende erstreckte, das den Zugang zum Binnenhof beherrschte.Viel Wachs und Waltran wurde heute Abend dort verbrannt, um eine Soiree im Ballsaal des Palasts zu illuminieren. Den eingeladenen jungen Damen dürfte er noch nie so glanzvoll erschienen sein. Für

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