Quintessenzen
Du gehörst zu den 12 Einwohnern des Dorfes, die 2/3 aller im Dorf verfügbaren Güter und Ressourcen konsumieren und 2/3 der insgesamt verfügbaren Energie verbrauchen – zum Beispiel beim Duschen. 80 deiner Mitbewohner sind arm und unterhalten sich darüber in Sprachen, die du nicht verstehst. 75 der 100 Dorfbewohner sind Asiaten oder Afrikaner, die meisten haben nicht genug zu essen und zu trinken.
Entscheidend sind die Besitzverhältnisse, an denen Dinge wie Gesundheit, Mittagessen und warme Füße im Winter hängen; entscheidend gerade dann, wenn du mal das Gefühl hast, andere hätten so viel mehr als du.
45 % des gesamten Dorfbesitzes gehören einem einzigen Mann. Weitere 35 % des Dorfbesitzes gehören den nächsten 9. 1 0 der Bewohner besitzen also 80 % . 40 weitere teilen sich die nächsten 15 % , die verbleibenden 50 deiner Mitbewohner teilen sich das verbleibende 1 % . Zu den 10 ganz Reichen gehörst du vielleicht nicht, andernfalls wirst du immerhin zu den 40 anderen gehören, die den Rest des Dorfbesitzes unter sich aufteilen. Inklusive der Duschen.
Und wenn du dir nun klarmachst, dass von den nur 10 Männern und Frauen, die in einer so unerhört komfortablen Situation sind, 9 nie geliebt wurden oder werden, 5 ein Drogenproblem haben, 8 einen IQ unter Zimmertemperatur und 9 keinen kompetenten Klempner kennen … könnte es zwar sein, dass du immer noch nicht der glücklichste Mensch der Erde bist, aber andererseits wollen wir auch nicht ausschließen, dass die Erinnerung an diese nackten Sachverhalte dir gelegentlich den Weg Richtung Jammertal verstellt.
Und auf diesem Weg, da sei uns beiden jedes Mittel recht.
Die Ich-Arena
Solltest du je das Gefühl haben, dass in dir ein kräftezehrender, zermürbender Kampf stattfindet, wirf einen Blick auf den Boxring, in dem Ego (blaue Ecke) und Seele (rote Ecke) sich prügeln. Vermutlich sind beide schon ziemlich platt, wobei du bemerken wirst, dass die Seele sich nicht sonderlich viel aus der blutenden Nase macht und grinst, was Ego zur Weißglut treibt. Es könnte aber auch sein, dass Ego gerade einen Heidenspaß am Zuhauen hat und deine Seele nur noch die Arme hängen lässt, ihre Zähne der Reihe nach verliert und sogar das Lächeln eingestellt hat.
Dieser Kampf wogt Zeit deines Lebens und ist permanent in der 15ten Runde, aber wenn er gelegentlich außer Kontrolle gerät, solltest du einschreiten. Begib dich in diesen Notfällen als Ringrichter zwischen die Kontrahenten und manipuliere den Stand des Kampfes nach deinen Vorstellungen. Bedenke dabei, dass Ego immer wach und alert ist, nie innehält und ein Hufeisen im rechten Handschuh trägt, während Seele zwar unheimlich viel einstecken kann und keine Angst vor nichts und niemandem hat, nicht mal dem → Tod , aber eben manchmal vor lauter Blut im Gesicht nicht mehr richtig lachen kann. Sollte es derart um die Kämpferin aus der roten Ecke bestellt sein, rate ich dir, Ego mehrfach zu verwarnen (ignoriere seine wütenden Proteste) oder den Kampf ganz zu unterbrechen und den roten Betreuern zu erlauben, Seele in der Ringecke Lippe und Augenbrauen wieder anzutackern.
Beenden ließe sich der zermürbende Kampf indes nur mittels einer lebenslänglichen Disqualifikation des Ego. Wem das gelingt, der wird beneidenswert gelassen und mild oder obendrein Zen-Buddhist, aber ob du dich dazu durchringen kannst, ahne ich nun beim besten Willen nicht.
So rate ich dir lediglich, ab und zu einen Blick in die Gesichter der Kontrahenten zu werfen. Nichts spricht gegen einen anständigen Kampf auf Messers Schneide, aber wenn die Dinge sich zu sehr in Richtung K. o. durch Ego verschieben, verlierst du vorzeitig alles, inklusive Publikum, Ring und – Ego.
Drum: Selbst wenn du dich (verständlicherweise) nicht entscheiden kannst, Ego aus dem Ring zu schicken und fortan nur noch deine Seele Lieder singen und Hafíz-Gedichte vortragen zu lassen – achte ein bisschen drauf, dass deine Seele nicht zu Brei geschlagen wird. Denn auch wenn die immer wieder aufsteht, anderswo – der Veranstaltungsort ist alles andere als unsterblich.
Weltver Änderer besserer
Wer von sich sagt, er wolle die Welt verändern, sagt gar nichts, denn jeder von uns verändert permanent die Welt, sei es durch Handeln, sei es durch Zaudern. Unser Handeln oder Nichthandeln ( → Handeln und entscheiden ) hat nicht nur manchmal, sondern immer Konsequenzen für das Leben Tausender, die nah oder fern neben uns leben oder nach uns kommen, und dieses
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