Quintessenzen
auf der A7 befindet sich ein Geisterfahrer – da sind Tausende!«.
Du wirst überrascht sein, wie viele Prüflinge es schaffen, zehn- oder hundertmal durch diese eine Prüfung zu rasseln, ehe sie einsehen: »3 x 3 = 9«, das auch aussprechen – und in die nächste Klasse dürfen. Die dann gegebenenfalls auch schon die letzte ist, da die Prüflinge inzwischen bereits im Rentenalter sind. Viele werden aber auch nie versetzt und hängen noch mit 90 in der sechsten, was ziemlich anstrengend ist – für sie und für jeden, der sich ihre Erklärungen zum neunzigsten Mal anhören muss.
Im Leben sagen diese Prüflinge natürlich nicht trotzig »8«, sondern Dinge wie »Ich bin nicht krankhaft eifersüchtig!«, »Er hat zwar den gleichen IQ wie mein letzter, aber diesmal bieg ich mir den hin!«, »Jedesmal komm ich in die Mobbingzentrale der Welt – und die haben nur auf mich gewartet!«, »Jetzt hassen mich schon wieder alle wegen meiner Ehrlichkeit!«.
(Platz für Notizen bzw. einen eigenen Satz, hoffentlich längst abgelegt:)
Solltest du dich in solchen Situationen wiederfinden – mit solchen Sätzen aus deinem eigenen Mund – denk zumindest kurz drüber nach, ob die Antwort nicht doch »9« lauten könnte.
Schlag und Schicksal
»Schicksalsschlag« klingt immer nach einem sehr persönlichen Angriff. Dabei schlägt das Schicksal rund um die Uhr, aber meistens daneben. Beziehungsweise nicht dir, sondern anderen ins Leben.
Trifft es einen selbst dann doch, und zwar voll, ist das natürlich ärgerlich, aber nicht ungerecht oder unbegreiflich. »Warum ich?« ist die völlig falsche Frage, die Gegenfrage darf lauten »Warum nicht?«, wahlweise »Warum erst jetzt?«.
Da jeder von uns irgendwann mehr oder minder granatenartig getroffen wird und irgendwas Wichtiges verliert (z. B. seinen Job, sein Geld, sein Herz, geliebte Menschen oder geliebte Körperteile), hilft es tatsächlich, sich auf dem unversehrten Weg allabendlich wenigstens sekundenlang klar zu machen, was heute wieder alles nicht schiefgegangen ist. Es ist wieder keiner deiner Vorderreifen auf der Autobahn geplatzt, es hat sich wieder kein Organ endgültig aufgehängt, und der faustgroße Komet, auf dem dein Name stand, ist schon wieder in den Acker 40 Meter weiter links gekracht. Unwahrscheinlich, aber wahr. Und unwahrscheinlich schön.
Diese kleine, nicht sonderlich aufwendige Übung verhilft nicht nur zu einem Lächeln beim Einschlafen, sondern auch nach dem unvermeidlichen Schicksalsschlag zu größerer Gelassenheit. Du wirst dich wundern, wie gründlich dich nach diesem Moment die Erinnerung an deine eigene zurückliegende Dankbarkeit einholt: Du wirst wissen, dass du ein ausgesprochen glückliches Leben hattest. (Und, nein, ich sage nicht, dass jenes dann ein für alle mal vorbei ist. Dass die Hoffnung zuletzt stirbt, steht auf einem anderen Blatt, aber das ist so oft kopiert worden, dass wir es uns hier als selbstverständlich ersparen.)
Entscheidend ist: Fang nicht erst nach dem Schicksalsschlag an, dich an dein glückliches Leben zu erinnern. Das wäre bloß ein Rezept für alles vernichtende Bitterkeit, und die brauchst du – gerade danach – so dringend wie ein Loch im Kopf. Vergegenwärtige dir täglich: Tot, krank, kaputt, hungrig und unglücklich, das ist der Normalzustand. Alles andere ist → Glück oder nah dran. Genieß es. Und zehre dankbar von der Erinnerung daran und der Hoffnung auf neues, wenn es dich vorübergehend verlässt.
Selbstmitleid fürAnfänger
Als ich irgendwann mal wieder meine fünf jammerigen Minuten hatte (»Die sind doch alle doof, ich bin pleite, kann meine Kinder nicht sehen und nu hab ich auch noch MS, ist doch scheiße, so was!«), haute mir mein alter Freund Lou mit den Worten auf die Schulter: »Nu hör ma auf. Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohnern wär, wärst du der einzige mit ner Dusche.«
Auch wenn solche Bemerkungen einen im Moment des Her umjammerns nicht umgehend zu schallendem Lachen animieren, sondern eher zur einer schallenden Backpfeife, beruhigt man sich andererseits auch wieder, und da kommt einem dann eine nachhallende Eselsbrücke wie die unten gebaute durchaus zupass. Solltest du also gerade nur ein bisschen selbstmitleiden und nicht allzu sehr, schau dir dein Umfeld, von poetischen Statistikern schon so oft von 7 Milliarden auf Dorfgröße heruntergerechnet, noch mal etwas genauer an.
Du bist eine der 51 Frauen in dem 100-Einwohner-Dorf – eine der insgesamt nur 5 Europäerinnen.
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