Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
alles gesagt, und ich hab es ihn auch noch schwören lassen, was doch immer sicherer und besser ist als euer bloßes Ja und Nein. Schwören ist doch noch was Besonderes und macht alles erst fest. Und nun werdet ihr glücklich sein. Ich habe mir unten im Garten schon eine Myrte gezogen, und wenn Toby das Getreide nach Galveston bringt, muß er mir auch ein Kleid mitbringen, ein rotseidnes. Ich habe darauf gespart, solange du lebst.«
     
    Ja, Lehnert war glücklich, und nur eines war, was ihm fehlte: sich über sein Glück aussprechen können. Er fühlte, so widerstrebend er sich dies auch eingestand, noch kein rechtes Recht dazu, denn das Wort, das ihm Obadja verheißen hatte, war noch immer ungesprochen geblieben, und so hielt er es denn einfach für seine Pflicht, in Zurückhaltung und Schweigen zu verharren.
    Vielleicht, daß er trotz dieses starken Gefühls von dem, was sich vorläufig einzig und allein für ihn zieme, sein Schweigen dennoch durchbrochen hätte, wenn ihm L'Hermite, sein treuer Gefährte, mit etwas mehr Neugier entgegengekommen wäre. Dieser vermied es aber offenbar, irgendeine Frage zu tun, ja zeigte sich, wenn nicht alles täuschte, geradezu sorglich beflissen, einem solchen Gespräch aus dem Wege zu gehen. Lehnert zerbrach sich den Kopf darüber, und zu der Pein des Schweigenmüssens gesellte sich alsbald auch noch die Frage, warum L'Hermite seinerseits jede Frage vermeide. Von Neid oder Eifersüchtelei konnte keine Rede sein, das lag nicht in L'Hermites Charakter oder war etwas längst Überwundenes, und wenn dieser, wie ganz augenscheinlich, der Liebe seines Freundes zu Ruth trotzdem nicht froh wurde, so mußte was anderes vorliegen, was ihn zu diesem Gefühl und einer daraus erwachsenden ablehnenden Haltung bestimmte. Das Unhehagen, das Lehnert über diese Wahrnehmung empfand, war so groß, daß er schließlich, allen entgegenstehenden Selbstgelöbnissen zum Trotz, doch den Entschluß faßte, sich bei nächster Gelegenheit Gewißheit darüber zu verschaffen.
    Diese Gelegenheit bot sich denn auch bald. Es war ein Musikabend gewesen, und Ruth hatte Lehnerts und auch L'Hermites Wunsch nachgegeben und ganz zum Schlusse noch einmal das Friedenslied vorgetragen, das sie, während der Septemberfesttage, so schön und für Lehnert so entscheidungsvoll gesungen hatte. Dieser war denn auch, ähnlich wie damals, von den Liebesworten und mehr noch von Ruths Stimme ergriffen worden und hatte Tränen im Auge, als das Lied schwieg. Auch L'Hermite war bewegt, und beide, wie wenn sie gewillt gewesen wären, sich den eben gehabten Eindruck durch Maruschka nicht stören zu lassen, brachen früher als gewöhnlich auf und gingen in ihren Korridor hinüber. Einen Augenblick schwankten sie hier, wohin sich wenden, aber L'Hermites Zimmer, überhaupt das bevorzugtere, ward auch heute gewählt, und nach rechts hin eintretend, nahmen beide Platz, Lehnert auf einem Schaukelstuhl, L'Hermite, wie gewöhnlich mit untergeschlagenen Beinen, auf seinem Arbeitstisch, den Schraubstock neben sich.
    »Eh bien«, sagte L'Hermite, während er eine kleine Eisenstange aus dem Schraubstock herauszog und damit zu spielen begann, »eh bien, Lehnert, was gibt's? Ich glaube, Ihr wollt mir etwas sagen.«
    »Ja, seit lange schon.«
    »Nun denn.«
    »Ich liebe Ruth.«
    L'Hermite lächelte. »Wer nicht?«
    »Ah, ich versteh... Ihr findet es anmaßlich« (L'Hermite schüttelte den Kopf) »oder vielleicht ein Unrecht.«
    »Ni l'un ni l'autre.«
    »Oder Ihr meint, sie liebe mich nicht?«
    »Au contraire.«
    »Nun, was dann?«
    »Mon cher Lehnert«, und L'Hermite setzte sich in eine Art Positur, »Ihr kennt meinen Katechismus und wißt, daß der Pfaffengott nicht darin vorkommt.«
    Lehnert nickte.
    »Gut denn, es gibt also keinen Gott, wenigstens nicht für mich. Aber, mon cher ami, es gibt ein Fatum. Und weil es ein Fatum gibt, geht alles seinen Gang, dunkel und rätselvoll, und nur mitunter blitzt ein Licht auf und läßt uns gerade so viel sehen, um dem Ewigen und Rätselhaften, oder wie sonst Ihr's nennen wollt, seine Launen und Gesetze abzulauschen.«
    »Nun?«
    »Und ein solches Gesetz ist es auch: wenn man erst mal
heraus
ist, kommt man nicht wieder
hinein
. Und da hilft kein Hoherpriester und kein Prophet, und wenn es Obadja selber wäre, gleichviel ob der alte oder der neue. Das Fatum ist eben stärker, und es ist das beste, cher Lehnert, Ihr lebt Euch mit diesem Gedanken ein. Ich hab es getan. Und wenn Euch das auch glückt, so werdet

Weitere Kostenlose Bücher