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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wahr und aufrichtig dies Gefühl war, so kam er demohnerachtet zu keiner rechten Freudigkeit. Er fühlte sich vereinsamt und brachte sich's gelegentlich zu geradezu schmerzlichem Bewußtsein, daß er in seinen schwersten und schlimmsten Tagen, ja, vor Jahr und Tag noch bei den zweifelhaften Leuten am Sacramento, heiterer und fast auch glücklicher gewesen sei als hier unter den Bekehrten und Nichtbekehrten von Nogat-Ehre. Friede und Freundlichkeit waren da, aber was er mehr und mehr vermißte, war Verkehr und Vertraulichkeit. Dazu sah er, daß er in seiner Herzensstellung nicht recht von der Stelle kam. Obadja, mit all seinen Vorzügen, war doch unnahbar, die Geschwister zu jung, Maruschka zu kindisch, Totto zu stumpf und Monsieur L'Hermite zu reserviert und zu superior ablehnend. Bei diesem Befunde verblieben ihm nur seine Landsleute, die beiden Kaulbarse, und das war hart, weil ihre Nüchternheit keine Grenzen kannte. Dennoch, so nüchtern sie waren und in so lächerlich wichtiger Weise sie sich mit ihrer Lieblingswendung »mein Mann sagt auch« oder »meine Frau sagt auch« aufeinander zu berufen pflegten, Berufungen, von denen aus ein weiterer Appell nicht wohl mehr möglich war, dennoch sah Lehnert ein, daß er, in Ermangelung von etwas Besserem, durchaus bemüht sein müsse, mit ihnen auf einem guten Fuße zu leben, und das um so mehr, als ihn beide die Tatsache nicht entgelten ließen, daß ihre Machtstellung, das mindeste zu sagen, durch sein Eintreten in die Wirtschaft halbiert worden war. Ob dies Gutmütigkeit oder Gleichgültigkeit oder vielleicht sogar das lauernde Warten auf den Moment war, wo sich das »Umkippen« vollziehen werde, war, so wahrscheinlich das letztere sein mochte, doch nicht mit Sicherheit festzustellen, weshalb Lehnert es, bis zum Beweise des Gegenteils, für geraten, ja für pflichtmäßig hielt, von allem das Beste zu glauben. Und so verging denn kein Tag, an dem er nicht, an der Seite von Kaulbars, den Versuch einer mal flüchtigeren, mal eingehenderen Unterhaltung über Nahes und Fernes, über Wirtschaftliches und Persönliches gemacht hätte.
    Gewöhnlich ritten sie gemeinschaftlich vom Nogat-Ehrer Hof aus auf die Felder und trennten sich erst weiter hin am Vorwerk, wo der Weg gabelte.
    »Ja, die Schlesier«, sagte Kaulbars, der gerad in einer landwirtschaftlichen Meinungsverschiedenheit mit Lehnert war, »die Schlesier machen es so. Glaub's schon und will auch nichts weiter dagegen sagen. Und wir haben auch ein Sprichwort: Der Klügste gibt nach.«
    Lehnert wollte beruhigen, Kaulbars aber, der mal im Zuge war, hatte nicht acht darauf und fuhr fort: »Ja, die Schlesier. Bei Graf Zieten-Schwerin in Wustrau, Sie werden wohl von ihm gehört haben, bei dem war auch ein Schlesier, ein kleiner Knurzel und schon so halb pohl'sch und mit 'm genierten Blick un mit richtige O-Beine. Jott mag wissen, wie der Kerl dahingekommen war. Bei die Vierundzwanziger in Ruppin kann er nich gestanden haben, die Vierundzwanziger nehmen so einen gar nich an. Aber ich will weiter nichts sagen, Schlesien is auch ganz gut, und wo man her is, na, das is wie Vater und Mutter, und ein anderer soll nichts Böses davon sagen. Das is alles schon richtig...
Ich
bin von 'n Glien. Kennen Sie den Glien?«
    »Nein«, sagte Lehnert und lächelte.
    »Na, das is so die Cremmer Gegend, alles, was da so zwischen Oranienburg und Fehrbellin liegt. Fehrbellin kennen Sie doch woll?«
    »Ja, das kenn ich. Das ist das mit dem Großen Kurfürsten.«
    »Richtig. Na sehen Sie woll, es kommt schon, es dämmert schon. Und Sie solln mal sehen, zuletzt kennen Sie auch noch 'n Glien.«
    So ging es meistens in der Unterhaltung. Aus jedem Worte, das Kaulbars sprach, sprach ein unendliches Von-oben-herab, ein Dünkel, der für den reizbaren und auf seine Heimatprovinz überaus stolzen Lehnert unerträglich gewesen wäre, wenn sich dies zur Schau getragene Überlegenheitsgefühl bloß auf Schlesien und die Schlesier bezogen und sich nicht vielmehr gleicherweise, ja womöglich noch verstärkt, auch gegen Amerika gerichtet hätte. Jederzeit war er bereit, den Amerikanern ihre Sünden vorzuhalten, und diese Gelegenheit bot sich ihm täglich, weil er ein wahres Talent besaß, auf dieses sein Lieblingsthema überzulenken.
    Eines Tages war es ein Gespräch über Ruth und Toby, von dem aus die Brücke mit gewohnter Geschicklichkeit geschlagen wurde.
    »Die beiden Kinder sind doch der Sonnenschein von Nogat-Ehre«, sagte Lehnert. »Über Ruth ist gar

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