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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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noch mit dazu. Hören Sie, die Görlitzer mögen ja soweit ganz gut sein, man soll nicht streiten und soll nicht nein sagen, wenn man's nich weiß. Aber das sag ich Ihnen, Mister Lehnert, aufs
Dienen
kommt es an, und jeder muß mal Rekrut gewesen sein und muß die Honneurs gelernt haben und muß die Signale gelernt haben. Und das is gewiß, wenn der Hornist blies und war das Signal von der fünften Compagnie, da gab es ein Ohrenspitzen wie 'n Kavalleriepferd und mitten im Schlaf. Und wenn dann der alte Oberst von Unruh mit seiner Krähstimme kommandierte: ›Präsentiert das Gewehr!‹ und dann der Prinz,
unser
Prinz, die Front abschritt und die Spielleute spielten und wir mit ›Augen rechts‹ dastanden wie die Puppen, und ich sag Ihnen, Lehnert, was für Puppen, ja, das hätten Sie sehen sollen, das hatte so seine Art, das war ein Vergnügen, und wenn der Prinz dann sagte: ›Ja, das sind meine Vierundzwanziger; Kinder, wenn ich Soldaten sehen will, dann seh ich mir die Vierundzwanziger an; es lebe der Kaiser!‹, ja, Mister Lehnert,
das
war was, das kommt vons ›Dienen‹ und Gehorchenkönnen und von der Strammheit und der Propreté, und wenn Sie die ganzen achtunddreißig ›States‹ umstülpen und hier unser Indian-Territory mit dazu und alle Mennoniten und den alten Obadja auch,
so
was fällt nich raus und kann auch nich rausfallen, weil's nich drin is und weil alles Schwindel is... Und Miss Ruth, nu ja, Miss Ruth ist ein hübsches Ding, geb ich zu, meinetwegen, und Mister Toby kuckt in die Welt wie die Maus aus der Hede. Glau sind sie und gewaschen und haben so was wie Prinz und Prinzessin. Aber, bei Lichte besehen, das ist eben der Unsinn. Wer kein Prinz is, darf auch nicht wie 'n Prinz aussehen. Prinz Friedrich Karl,
der
durfte, der war einer. Aber Toby? Toby weiß alles am besten und is doch bloß noch ein Quack. Aber das is hier alles eins, und mit zwanzig ist er bei der Gesandtschaft in Japan, und mit vierundzwanzig ist er Oberpriester in Nogat-Ehre. Denn der Alte wird klapprig, und ewig kann er doch nicht leben, und wenn er auch so fromm wäre wie Abraham oder wie Hiob.«
     
Zweiundzwanzigstes Kapitel
     
    So verliefen die Gespräche, die die beiden preußischen »Kameraden«, wenn sie morgens auf die Felder hinausritten, miteinander führten, Gespräche, die Lehnert nur zu deutlich zeigten, daß mit dem guten Kaulbars (und mit der Frau lag es nicht viel besser) wohl ein friedlicher, aber kein freundschaftlicher Verkehr möglich sei. Und so würde denn das Gefühl von Vereinsamung, das ihn, sehr bald nach seinem Erscheinen in Nogat-Ehre, zu quälen begann, sehr wahrscheinlich in einem beständigen Wachsen geblieben sein, wenn ihm nicht der anfangs mit soviel Mißtrauen und Abneigung von ihm angesehene Monsieur Camille L'Hermite mit jedem Tage teurer geworden wäre. Monsieur L'Hermite hatte nichts von der selbstgefälligen Enge, darin sich beide Kaulbarse gefielen, und so kam es, daß sich mit dem Landesfeinde – »mon cher ennemi«, wie Monsieur L'Hermite sagte – nach und nach ein Verhältnis anbahnte, das ihm der deutsche Landsmann nicht gewähren konnte.
    Den ersten Anstoß zu dieser Bekehrung gab ein ganz kleiner, schon während der ersten Wochen sich ereignender Vorfall. Lehnert, wenn von Tisch aufgestanden und nach kurzem und meist die Wirtschaft betreffendem Gespräche der Rückzug in die Zimmer des oberen Stocks angetreten wurde, schloß sich diesem Rückzug nicht immer an, sondern zog es mitunter vor, in einer jenseits der Akazienallee gelegenen Garten- und Parkanlage, darin sich auch die von Obadja aus großen Feldsteinen aufgeführte Familiengruft befand, noch eine halbe Stunde lang auf und ab zu gehen, wobei Ruths Neufundländer ihn meistens begleitete. Stieg er dann, wenn's dunkel geworden, auch seinerseits die Treppe hinauf, so klang regelmäßig vom linken Korridor her ein Choral herüber oder ein geistliches Lied: Ruth sang und Toby begleitete. Was aber Lehnerts Gemüt mehr noch als dieser Gesang in Anspruch nahm, war das, daß er, wenn er an Monsieur L'Hermites Zimmer vorüberkam, Mal auf Mal in aller Deutlichkeit hören konnte, wie dieser die Türe leis ins Schloß drückte, ganz so, wie wenn er's verbergen wolle, dem Gesange Ruths gelauscht zu haben. Einmal aber traf es sich, daß L'Hermite, trotz aller Vorsicht, auf seinem Lauscherposten von Lehnert doch überrascht und dadurch in eine kleine momentane Verlegenheit versetzt wurde. Seine französisch gute Laune half ihm aber

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