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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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den Mahlzeiten und oft auch bei den Andachten gar nicht erscheinen und die Gesangsübungen, die sonst ihre Freude waren, nicht fortsetzen konnte. Freilich ward es ihr nicht allzu schwer, dies Opfer zu bringen, hatte sie doch vom Vater her mit der Gabe des Regierens auch die Lust dazu geerbt und führte das Regiment, wie L'Hermite mit Vorliebe zu versichern pflegte, »zur Ehre von Nogat-Ehre«.
     
    Ja, viel Kommen und Gehen war in Nogat-Ehre, das war gewiß, da der Hausbrauch es aber mit sich brachte, daß mehr geschwiegen als gesprochen wurde, so kam es zu keinen Aufklärungen, und Lehnert blieb in Zweifel darüber, zu welchem Zwecke das alles sei. Schließlich war er gewillt zu fragen, und zwar am selben Tage noch, als er aber um die sechste Stunde vom Felde, drauf er das Grabenziehen an einer sumpfigen Stelle beaufsichtigt hatte, hereinkam, fand er alles ausgeflogen und erfuhr von einem Cherokeemädchen, das eben neben ihm die Treppe passierte: Master (dies war Obadja) und Miss Ruth und Mister Toby seien mit dem Zehn-Uhr-Zuge gefahren und zwei Stunden später Monsieur L'Hermite; Master sei nach Halstead. Wohin Monsieur L'Hermite sei, das wisse sie nicht. Aber auch hierüber sollte Lehnert nicht lange mehr im Dunkel bleiben, denn kaum daß er in sein Zimmer getreten war, so wurd er eines Zettels gewahr, den L'Hermite mit Hilfe zweier Wachskügelchen auf die Tischplatte geklebt hatte. Drauf stand in einer Art Telegrammstil: »Mit dem Zwölf-Uhr-Zuge nach Galveston. Ich sehne mich nach Menschen. In drei Tagen wieder zurück. Bis dahin und weiter Ihr L'Hermite.«
    Ja, das gab Aufklärung über das »Wohin«, aber über nichts weiter, und wenn schon dies Umgebensein von Geheimnissen ein gewisses unbehagliches Gefühl in ihm weckte, so wuchs dasselbe, wenn er sich sagte, daß er nun auf drei lange Tage hin in dem großen, halb kirchenhaften Hause mutterwindallein sei, Totto, Maruschka und ein Dutzend halbwachsener Cherokeemädchen abgerechnet, die doch kaum als Gesellschaft gelten konnten. Verstimmt ging er in seinem Zimmer auf und ab, ließ sich bei Maruschka, seiner alten Tischgenossin, entschuldigen und begnügte sich mit ein paar Biscuits, einem Cognac und einem Glase Wasser.
    Aber diese Rolle der Absperrung und Askese war doch nicht durchzuführen, und so beschloß er denn tags darauf ein Gespräch zu versuchen und sich zunächst dem guten alten Totto zu nähern.
    Totto war über siebzig und genoß schon seit etlichen Jahren eine Art Gnadenbrot. Er war, als ein litauischer Knecht, mit Obadja herübergekommen und hatte diesem, damals noch in Dakota, an zwanzig Jahre und länger in Eifer und Treue gedient. Eines Tages aber war er fort gewesen; andere hatten ihn überredet, und mit diesen war er den Missouri und dann den Mississippi hinuntergefahren, auf Neu-Orleans zu. Dort war er Cabkutscher geworden und hatte viel Geld verdient, bis er, den Herrn spielend, alles wieder verloren hatte. Von einem Rettungsinstinkt geleitet, war er dann, mit dem Reste seiner Barschaft, denselben Weg flußaufwärts zurückgefahren und nach fünfjähriger Abwesenheit wieder in Dirschau, Dakota, eingetroffen, in einem grauen Leinwandanzug und im übrigen nichts mit sich führend als ein Felleisen, darin er seinen geretteten Sonntagsstaat untergebracht hatte. »Bist du wieder da, Totto?« waren damals Obadjas von keiner weiteren Frage begleiteten Begrüßungsworte gewesen, die zugleich den ganzen Zwischenfall als erledigt ansahen. Von Stund an war er auf ein paar weitere Jahre hin mit einer Art Oberaufsicht über das gesamte Pferdewesen betraut worden, auf das er sich, als Litauer, gut verstand, und saß nun, nachdem er schließlich auch dazu zu alt geworden, den ganzen Tag über vor den Stallgebäuden im Hofe, mit seiner Bank, weil ihn fror, immer der Sonne nachrückend. Sonntags zog er seinen aus seiner großen Zeit in Neu-Orleans mitgebrachten Staat an: einen blauen Frack mit kurzen Schößen und hechtgraue Hosen, dazu Zylinder und Vatermörder, ganz spitz, deren Plättung er überwachte. Alle liebten ihn und ließen ihn gewähren, weil er einfältigen Herzens war.
    »Nun, Totto, wieder in der Sonne?« sagte Lehnert. »Wie geht es?«
    »Oh, es geht ja, Mister Lehnert. Ein bißchen kalt.«
    »Ihr sitzt nicht an der richtigen Stelle. Die Sonne steht ja da.«
    »Ja, wahrhaftig, da steht sie. Indeed, indeed. Na, da will ich doch...«
    Und er erhob sich und nahm seine Bank, um an eine wärmere Stelle zu rücken.
    »Aber Totto«, fuhr Lehnert

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