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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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fort, »Ihr habt ja heute schon Euren Staat an. Und ist doch erst Dienstag. Ihr werdet ihn ruinieren.«
    »Ja, Dienstag is erst. Aber Sonntag auch, Mister Lehnert. The whole week is festival-week. Festwoche, Sonntagswoche.«
    »Ja, was heißt das, Totto? Sonntagswoche. Warum Sonntagswoche? Was ist los?«
    »Waschung is los, Mister Lehnert. Washing feet. Und kettle-drums und Gunpowder-Face, well; you know him... Und Obadja preaching. Und plenty of people.«
    Lehnert tat noch ein paar andere Fragen, aber er kam damit nicht weiter und erfuhr nur soviel, daß sich ein großes Fest vorbereite. Welcher Art im übrigen dies Fest sein würde, blieb ihm unklar, teils weil er Totto nicht recht verstand, teils weil ihm manche mennonitische Gebräuche, wie beispielsweise ›das Fest der Fußwaschung, noch fremd waren. Und so beschloß er denn, wenn die Mittagsstunde dasein würde, statt bei Totto, bei Maruschka sein Heil versuchen zu wollen.
    Maruschka, wiewohl erst sechzig, war ein ebenso altes Hausinventar wie Totto und wie dieser mit nach Amerika herübergekommen. Ihren eigentlichen Namen kannte niemand, auch Obadja nicht, und nur soviel wußte man, daß sie, Polin von Geburt, schon als Kind auf einem Flissakenfloße die Weichsel herab nach Danzig gekommen sei, wo man sie, bei Schneegestöber, verirrt auf der Straße gefunden und nach einem katholischen Krankenhause gebracht hatte, drin sie, sich nützlich machend, jahrelang geblieben war, bis das Krankenhaus aufgelöst wurde. Da habe sie denn nicht gewußt »wohin« und wäre wieder barfuß flußauf gezogen, mit einem roten Tuch über den Kopf, um sich durchzubetteln bis Polen hin. Und in einem großen Mennonitendorfe, das Obadja damals bewohnte, sei sie zurückgeblieben und ein halbes Jahr später mit in die Neue Welt übersiedelt. Alle drei Frauen Obadjas hatte sie seitdem hinsterben und die Kinder, die beiden ältesten abgerechnet, geboren werden sehen: Anhänglichkeit und Treue waren allezeit ihre Tugenden gewesen und in ihren jungen Jahren auch Fleiß und wirtschaftliches Geschick. In ihrem Katholizismus aber hatte der Hausherr und Patriarch von Nogat-Ehre sie jederzeit gewähren lassen, entweder aus Respekt vor jeder aufrichtigen Glaubensform, oder weil er der Ansicht lebte, daß Maruschka zu den Auserwählten gehöre, die nicht um ihres Glaubens, wohl aber (wie Totto) um ihrer Einfalt willen selig werden.
    Und nun war es fünf Uhr, und Lehnert erwartete jeden Augenblick den Schlag an den Schild, der ihn, auch bei zusammengeschmolzener Tafelrunde, zu Tische rufen mußte. Wen durft er dabei erwarten? Wenn sich nicht der Lehrer aus der Nachbarfarm oder aber Missionar Krähbiel aus der nächsten Indianersiedlung eingefunden hatte, so ging er einem tête-a-tête mit Maruschka entgegen, ein Gedanke, der ihn, trotz seiner Neugier und aller Fragen, die er vorhatte, mehr oder weniger bedrückte. Wußt er doch, wes Geistes Kind Maruschka war und daß ihre Geistesarmut nur noch von der Unfähigkeit, sich auszudrücken, übertroffen wurde. Vom Polnischen, ohne daß sich ein gutes Englisch oder Deutsch dafür gefunden hätte, war ihr nicht viel geblieben, und so sprach sie denn ein Kauderwelsch, das mit dem des alten Litauers, mit dem ihr ohnehin so vieles gemeinsam war, um den Preis der Unverständlichkeit streiten konnte.
    Lehnert hing diesen Gedanken noch nach, als der Schlag an den Schild durch das Haus hin hallte. Sofort verließ er sein Zimmer, stieg die Treppe hinab und ging langsam auf die Halle zu. Wirklich, nur für zwei war gedeckt, und hinter dem Stuhl des einen Gedecks stand Maruschka. Sie war zu ihrer Zeit nicht ohne Wünsche gewesen, und etwas davon umleuchtete sie noch jetzt und kam heut in ihrer Toilette zum Ausdruck. Ihrem mitunter ganz schräg sitzenden Scheitel hatte sie mit Sorglichkeit eine senkrechte Richtung gegeben, während auf dem schwarzen und schon etwas blanken Poplinkleide, neben anderem Schmuck, eine dünne, vielfach um Hals und Nacken gelegte Silberkette prangte, mit einem Kreuz. Mit diesem Kreuz machte sie sich, als Lehnert auf sie zutrat, ziemlich demonstrativ zu schaffen, wies dann aber rasch auf den Stuhl ihr gegenüber und sagte: »Now let us see, Mister Lehnert.«
    Lehnert, als er Platz nahm, war in Zweifel, was er aus dieser einigermaßen intimen Äußerung der guten Alten machen sollte. Das heiterstrahlende Gesicht aber, mit dem sie gleich danach den leichten Metalldeckel von einer vor ihr stehenden Schüssel nahm, ließ ihn rasch erkennen,

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