Quitt
hatte, zugleich mit der schon erwähnten, von dem jungen Cherokeemädchen gehaltenen Kirchenfahne, deren auf Wolken thronender Heiland allerdings mehr an Judas Ischariot als an Christus erinnerte – wobei selbstverständlich im Dunkel blieb, ob L'Hermite diese Dreißig-Silberlings-Physiognomie mit Absicht oder nur in totaler Abwesenheit Leonardischer Kunst geschaffen hatte.
Festlich wirkte die dreigeteilte Empore samt Altar, aber kaum minder festlich der Saal selbst, nachdem er sich unten auf allen seinen Plätzen gefüllt hatte. Vorn, auf den ersten zwei Bänken, erblickte man in langer Reihe die Männer und Frauen, meist vom Stamm der Arapahos, die heute noch, seitens Obadjas, in die Gemeinde der Taufgesinnten aufgenommen werden sollten, und zwischen ihnen, als Paten oder Taufzeugen, saßen die Mennonitenväter von Nogat-Ehre samt den Lehrern und Missionaren, sechs an der Zahl, die das Werk der Bekehrung geleitet hatten. Einer derselben, mit einem feinen Windhundkopf, war ersichtlich ein Engländer: Mister Anthony Shelley, während die fünf andern sämtlich gute Deutsche waren, was nicht bloß ihre vierkantigen Köpfe, sondern beinah mehr noch ihre kerndeutschen Namen bezeugten: Bartels und Nickel, Krähbiel, Stauffer und Penner. All diese hatten auf der ersten und zweiten Bankreihe Platz gefunden, unmittelbar hinter ihnen aber saßen alle die, die mit zum Obadjaschen Hauswesen, trotzdem aber nicht eigentlich zur Gemeinde von Nogat-Ehre gehörten, also Maruschka und Totto, Mister und Mistress Kaulbars, Lehnert und L'Hermite, letzterer in einem Respektabilitätsanzuge, drin man ihn nur mühsam wiedererkennen konnte. Von Lehnert gefragt, warum er überhaupt erschienen sei, hatte er in der ihm eignen Weise geantwortet, daß er das seinem Christus in Gouache, vor allem aber seinem Freunde Gunpowder-Face schuldig sei, welcher letztere, trotz seiner Bekehrung – und was mehr sagen wolle, trotz seiner persönlich freundschaftlichen Gefühle für ihn – doch nach seinem Skalp trachten werde, wenn er sich seiner (Gunpowder-Faces) allerdings ans Virtuose streifenden Paukenleistung entziehen wolle. Das war so L'Hermites Redeweise. Sah man ihn aber so sitzen, so schien er voll Ernst und Interesse, zumal wenn er, halb nach rückwärts gewandt, die zweite Hälfte des Saales neugierig musterte, drin die schon früher getauften Cherokees und Arapahos zu Hunderten standen und mit großen Augen nach dem Altar hinübersahen, an dessen Stufen sich der heutige Feierlichkeitsakt vollziehen sollte.
Dem großen Feierlichkeitsakte vorauf aber ging ein Gebet, darin Obadja, unter Vermeidung alles bloß Lehrsätzlichen,
das
gab, was er praktisches Christentum nannte. »Lasset uns beten!« so begann er. »Das Gebet heiligt uns und macht unsere Seele frei. Das Gebet macht uns jeden Tag zum Feiertag. Ohne Gebet wäre unser Leben ein Haus ohne Dach, ein Garten ohne Blumen, eine Wüste ohne Oase. Was unser großer Benjamin Franklin von der Mäßigkeit gesagt hat, das sag
ich
von der Frömmigkeit: sie bringt Kohlen zum Feuer, Mehl in das Mehlfaß, Geld in den Beutel, Kredit bei der Welt, Zufriedenheit in das Haus, Kleider für die Kinder, Verstand ins Gehirn und Leben in alle Verhältnisse. Das sind die Wunder der Frömmigkeit, und das Gebet ist unser Beistand und unsere Hilfe dazu!«
L'Hermite nickte Zustimmung, während er vor sich hin brummte: »Ca suffit«, Obadja seinerseits aber fuhr fort: »Unsere Hilfe, sag ich. Aber das Gebet, das helfen und Wunder tun soll, das muß den
rechten
Weg gehen. Wer den falschen Weg geht, dem hilft kein Gebet, und vor allem hütet euch vor denen, die der armen Seele, sei's
mit
Wissen, sei's
ohne
, den falschen Weg weisen. Lasset euch erzählen von einem, der den falschen Weg wies. Ein alter Mann kam zu sterben und schickte nach dem Geistlichen, um ihm zu beichten. Und der Geistliche kam. Und nun höret, was der Alte zu beichten hatte! Leute hätten in der Wildnis einen Wegweiser gesetzt, und als der Wegweiser gestanden, da hab er ihn umgedreht und dadurch Tausende in die Irre geführt. Das laste jetzt schwer auf seiner Seele... So war die Beichte des Alten. Ich aber sage euch: wer die Lehre verdreht oder umkehrt, der tut Schlimmeres, denn er führt von dem rechten Weg ab, der allein zum Himmel führt. Unser Wegweiser aber, dessen bin ich sicher, zeigt in die rechte Richt, denn er ist das Wort Gottes, und wir beten, daß er uns das Licht und das Auge gebe und die Kraft dazu, die Wege zu wandeln, die er uns
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