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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Osten die Mittel und Wege schafften – in der Erfüllung aller Wünsche, die Ruth und Toby hegten. Ja, die beiden sonderbaren Schwärmer, von denen der eine den Erzbischof von Paris und der andere den Förster Opitz auf dem Gewissen hatte, kannten nichts Schöneres, als für Miss Ruth zu denken und zu arbeiten, und fühlten sich belohnt, wenn sie lachte, nickte, dankte.
    Der Lehnert-L'Hermiteschen Reunion-Abende wurden, in natürlicher Folge davon, immer weniger, und an ihre Stelle traten Familienabende, zu deren Abhaltung man sich auf Ruths oder Maruschkas Zimmer versammelte. L'Hermite, sosehr er sich dieser Abende freute, kam freilich nur selten und immer nur auf Aufforderung, desto häufiger aber stieg der Alte die Treppe hinauf, und mit herzlicher Genugtuung erzählten alsbald die Kinder, daß der Vater, seit der Mutter Tode, kaum jemals in ihrer Mitte so fröhlich und guter Dinge gewesen sei wie gerade jetzt.
    Daß er dies sein konnte, war vor allem Ruths, aber doch auch Lehnerts Verdienst. Denn wenn Ruth erfinderisch und in ihren Vorschlägen immer auf einen glücklichen Wechsel bedacht war, so war es doch schließlich allemal Lehnert, der das wechselvolle Programm durchzuführen hatte. Vielleicht, daß er damit gescheitert wäre, wenn er nicht voll musikalischen Sinnes und zugleich – wie schon der alte Kommandant von Fort MacCulloch in seinem Briefe geschrieben hatte – von einer nicht unbeträchtlichen Fertigkeit im Geigen- und Zitherspiel (und eine Zither hatte sich natürlich gefunden) gewesen wäre. Ruth ihrerseits war eine kleine Gesangsvirtuosin, als die wir sie schon im Tabernakel kennenlernten, und wenn ihre melodische Stimme, während Toby auf dem Harmonium und Lehnert auf der Geige begleitete, durch das Zimmer klang, so verklärten sich des alten Obadja Züge, und glückliche Stunden, die nun weit, weit zurücklagen, Stunden aus der Kindheit Tagen her, traten wieder lebhaft vor seine Seele. Das zurückhaltend Feierliche, das er sonst hatte, fiel in solchen Stunden von ihm ab, und im Augenblicke, wo die Kinder diesen Wechsel eintreten sahen, wechselten sie, je nach dem Maß der aufkeimenden guten Laune, rasch auch die Lieder selbst, und wenn eben noch ein Choral auf dem Notenpult gestanden hatte, so wurde jetzt ein weltliches, wenn auch zunächst noch ein elegisches Lied aus dem Choral. Eines unter diesen elegischen Liedern, welches das »Lied vom Herzen« hieß und eine sehr gefällige, ganz für die Zither berechnete Melodie hatte, war eine Zeitlang aller Lieblingsstück, so sehr, daß selbst Monsieur L'Hermite mit einstimmte.
     
    's Herz ist ein spaßig Ding,
    An sich nur klein und g'ring;
    Oft ist's ganz mäuschenstill,
    Dann hämmert's wie 'ne Mühl,
    Oft tut mir's wohl und oftmals wehe! –
    Drum denk'ch in meinem Sinn,
    's sitzt was Lebend'ges drin,
    Zeigt Freud und Schmerzen
    Ganz tief im Herzen! –
     
    Auch Maruschka sang mit Vorliebe diese Strophe mit, trotzdem sie vom Text wenig oder nichts verstand, aber das Zittrige der Melodie tat ihr unendlich wohl und bestimmte sie, während sie weinte, Mal auf Mal auf das »Durchsingen« aller Strophen zu bestehen. Es waren ihrer sechs oder sieben, unter denen die junge Welt die zweite bevorzugte. Diese lautete:
     
    Wenn man was Böses tut,
    Da hämmert's gar nicht gut,
    Dann redt man gern sich ein:
    ›'s wird wohl so schlimm nicht sein‹,
    Man möcht die Wahrheit sich nicht sagen!
    Doch – was hilft aller Schein,
    Der
droben
schaut darein,
    Er wird's am Schlagen
    Dir deutlich sagen! –
     
    In Lehnerts Auge flimmerte dann was, auch wohl bei den andern, und nur Obadja, der, infolge seines Vertrautseins mit dem Kirchenliede, dem bloß Weichlichen durchaus abhold war, außerdem auch die dünne knipsige Begleitung auf der Zither nicht recht leiden konnte, blieb ziemlich nüchtern bei diesen Sentimentalitäten, die die Kinder, in totaler Verkennung seines Geschmacks, recht eigentlich für ihn ausgesucht hatten, und kam immer erst in die richtige, von seiner Umgebung gewünschte Stimmung, wenn man aus dem Gefühlvollen offen und ehrlich in die direkten Heiterkeiten überging.
     
    Auf Schlesiens Bergen, da wächst ein Wein,
    Den trifft nicht Regen, nicht Sonnenschein ...
     
    Ja, das tat ihm wohl, und wenn Obadja dann, am Schluß des Liedes, den sich in seiner Trinkwette für überwunden erklärenden Teufel laut jammern hörte:
     
    Noch
mehr
zu trinken solch sauren Wein,
    Muß man ein geborner Schlesier sein ....
     
    da kam ein Lachen über

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