Quitt
weist.«
Ein liturgischer Vers wurde nach dem Gebet gesungen, und als auch der Gesang schwieg, gab Obadja ein Zeichen, und die zu Taufenden traten nun vor. Und er besprengte sie mit dem Taufwasser und sprach die Formel. L'Hermite aber nickte wieder und sah zu seinem Freunde Gunpowder-Face hinauf, der, zur Antwort, ihn freundlich angrinste, während die plötzlich von einem Feierlichkeitsgefühl angewandelte Maruschka die Galvestonsche Bonbontüte, die sie bis dahin in der Hand gehabt hatte, leise beiseite schob und das Kreuz schlug.
Obadja war inzwischen von dem Taufbecken wieder an den Altar getreten, um nun, worauf alles wartete, die eigentliche Predigt zu halten, die – wie gewöhnlich bei diesen Jahresfesten – die Hauptunterscheidungspunkte der mennonitischen Lehre betonen sollte. Der Text aber, den er seiner Predigt zugrunde gelegt hatte, war der: »Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen«, und daneben der andere Spruch: »Die Rache ist mein, spricht der Herr.« Er sah, als er diese Worte sprach, zu Lehnert hinüber, der sein Auge vor dem ruhigen Blick des Alten senkte. Dann aber wandte sich dieser der Auslegung seiner Textesworte zu und stellte die Bilder kriegerischen und friedlichen Lebens einander gegenüber. Alles Blut, was flösse, flösse zum Unheil, und nur einmal sei Blut zum Heil geflossen, freilich nicht zum Heile derer, die's vergossen, wohl aber zum Heile der Menschheit, um deretwillen es vergossen wurde. Das sei das Erlöserblut Jesu Christi gewesen. Alles andere Blutvergießen aber sei Sünde, zumeist, wenn es flösse, der Rache des einzelnen zuliebe. Das führe zu sicherem Untergang und Verderben. Aber auch der große Krieg sei Sünde, auch das Blutvergießen um Land und Herrscher und selbst um Glaubens und Freiheit willen. Und so hab er denn auch in diesem gesegneten Lande den Krieg beklagt, den Nord und Süd um die Frage der Befreiung ihrer schwarzen Brüder geführt hätten, sosehr er dieser Befreiung selbst auch entgegengejubelt habe. Fortschritt und Freiheit sollten freilich ihren Einzug halten in die Welt, aber auf einer Palmenstraße, nicht auf einer Straße, da die Kriegsknechte zu beiden Seiten am Wege stehen. Absage dem Krieg, das sei die Lehre der Taufgesinnten. »Und so höret denn zum Schluß: Übermut macht Krieg, Demut macht Frieden. Und der Frieden im Gemüt ist das Glück und die Vorbereitung zum ewigen Heil. Selig sind die Friedfertigen, selig sind, die reines Herzens sind. Die Rache ist mein, spricht der Herr.«
Obadja schwieg jetzt, und im Augenblick, als er die Stufen verließ, klang es von der Mittelempore her:
»Rühret eigner Schmerz
Irgend unser Herz,
Kümmert uns ein fremdes Leiden,
O so gib Geduld zu beiden,
Richte unsern Sinn
Auf das Ende hin!«
Es war Ruth, deren Stimme mit wunderbarer Klarheit durch den Saal drang, während die jungen, sie umstehenden Mädchen die Palmenzweige immer höher über ihr emporhielten. Lehnert sah hinauf, zitternd vor innerster Bewegung, und wollte die Friedensstätte meiden, die
seine
Stätte nicht mehr war. Aber eh er sich erheben konnte, klang der Schlußvers von oben her:
»Soll's uns hart ergehn,
Laß uns feste stehn
Und auch in den schwersten Tagen
Niemals über Lasten klagen,
Denn durch Trübsal hier
Geht der Weg zu dir
.«
Und nun schwieg auch Ruth und trat, verdeckt fast von den über sie gehaltenen Zweigen, in den Hintergrund der Empore zurück. Aber ehe sie sich noch ganz dem Auge der unten Versammelten entziehen konnte, fiel auch schon, von rechts und links her, der Chor der Indianerkinder ein, und während das schöne Cherokeemädchen, strahlend vor Freude, die Christusfahne schwang, rührte Gunpowder-Face seine kettle-drums und schlug zugleich zweimal an das hinter ihm aufgehängte Tamtam.
L'Hermite war nicht müde, stille Zeichen des Beifalls zu geben und huldigend hinaufzugrüßen, aber ehe er noch einen Gegengruß eintauschen konnte, vernahm er auch schon, unmittelbar neben sich, einen schweren Fall und sah, sich wendend, daß Lehnert, wie vom Schlage getroffen, zusammengebrochen war.
Alles drängte herzu, Maruschka und Toby und zuletzt auch Obadja und Ruth.
»Er ist tot.«
»Nein, er
lebt
«, sagte Ruth im festen Glauben ihres Herzens. Und ihr Auge leuchtete, als sie so sprach.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Das Jahresfest konnte nicht eindringlicher abschließen, und als am andern Tage, nach voraufgegangener Beichte Lehnerts, Lehnert selbst (woran bis dahin
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