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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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weder er noch andere gedacht hatten) in die Gemeinde der Taufgesinnten aufgenommen worden war, war man einig, daß, bei der Beschreibung des Festes in den Blättern der mennonitischen Genossenschaft, auch speziell dieses Bekehrungsherganges, als einer wunderbaren Erweckung, gedacht werden müsse. Ganz besonders waren es die Brüder Krähbiel und Nickel, die sich in diesem Sinne vernehmen ließen und bei der Gelegenheit in Obadja drangen, sie mit der Vorgeschichte Lehnerts bekannt zu machen. Obadja aber lehnte dies Ansinnen nicht nur ab, sondern behandelte das Vorkommnis überhaupt als ein Etwas, das wohl erfreuen und zufriedenstellen, aber nicht groß in Verwunderung setzen könne. Er ging darin so weit, daß seine zur Schau getragene Ruhe den trotz tiefster Erschütterung immer noch in menschlicher Eitelkeit verbliebenen Lehnert beinah verletzte, während Krähbiel und Nickel, was wohl auch in Obadjas eigentlichster Absicht gelegen haben mochte, nicht müde wurden, aus dieser Ruhe des Alten aufs neue den Beweis seiner Überlegenheit und seines besonderen Berufenseins für sein Amt herzuleiten. Und mehr oder weniger war dies die Meinung aller. Selbst L'Hermite gab seiner Genugtuung auf seine Weise Ausdruck und sagte zu Krähbiel: »Oui, oui, c'est beaucoup plus que le prophète du Testament, c'est le prophète de Meyerbeer.«
    In der Tat, jeder fühlte sich erhoben, und nur einer war da, der sowohl der Tatsache der Erweckung wie dem Erwecker gegenüber in seiner landeseigentümlichen Nüchternheit verharrte. Dieser eine war natürlich Mister Kaulbars. »Sieh, Röse«, so etwa waren seine Worte, »da siehst du, was ein Schlesier is. Die sind so... ja, wie sag ich bloß, die sind so duselig, so gleich weg und fallen um wie Bleisoldaten, schon bloß wenn einer antippt. So was kann unserein gar nich passieren. Und nun gar erst der Alte!«
    »Nu höre, Martin, gegen den Alten wirst du doch woll nichts sagen wollen! Der Alte is ja doch soweit ganz gut.«
    »Freilich is er. Warum soll er auch nich? Und ich muß auch sagen, er macht es fein und forsch genug und sieht aus, na, wie sag ich gleich, na doch wenigstens wie Abraham oder wie Noah oder so einer von die Allerältesten. Aber du meine Güte: ›Stehe auf und lebe‹, was er da zuletzt doch wahr und wahrhaftig gesagt hat, als Lehnert wie für dod dalag, sieh, Röse, das is ja doch schon die reine Dodenerweckung oder Jüngling zu Nain. Und soviel is doch nich los mit ihm. Er ist ja doch am Ende kein Christus nich und auch kein Heiland, und wenn ich auch nichts gegen ihn sagen will, denn darin hast du ganz recht, er ist immer noch von die Besten einer – aber höre, soviel bleibt doch, wo Bartel Most holt, das weiß er ganz gut und weiß auch ganz gut, daß die Spargelköppe besser schmecken als die Stangen, und in Denver hat er was in der Bank liegen, und in Galveston hat er was liegen, und in Amsterdam hat er auch was liegen. Er hat überall was liegen. Und dann: ›Steh auf und lebe‹, und auch gleich niederknien lassen und ihm die Hand hinhalten, bis er seinen Handkuß weg hat... Ne, Röse, das is mir zuviel. Unser alter Rüthnick in Schwante, na, da kniete man woll auch mal nieder und kam auch so was vor, aber Rüthnick war arm, und dieser is reich. Und Armut, das is die Hauptsache. Glaube mir, auf die Armut kommt es an!«
    Röse lachte und sagte: »Du sagst sonst immer, Martin, aufs Geld käme es an.«
    »Is auch ganz richtig, aufs Geld kommt es auch an. Aber wenn einer immer dasteht wie ›vom Himmel hoch, da komm ich her‹, da muß er an das Kamel und das Nadelöhr denken und nicht rechnen können wie 'n Bankdirektor.«
    »Freilich, rechnen kann er«, sagte Röse.
    »Na siehst du, nu sagst du's auch schon.«
     
    Ja, auf Kaulbars und Frau – die, bald nach der Abreise der Gäste, nach ihrem Vorwerke wieder hinausgezogen – war die Wirkung der Erweckung nicht allzu groß gewesen, desto größer aber auf Tobias und Ruth. Sie hatten von Anfang an eine Liebe zu Lehnert gehabt, die sich jetzt, nachdem er ein Mitglied der Gemeinde geworden, unbefangener zeigen durfte, was dann selbstverständlich auch das Vertrauen auf Lehnerts Seite steigern mußte, so weit, daß es allmählich zur Vertraulichkeit wurde. L'Hermite, ganz unkleinlich und jedenfalls frei von jeder Eifersuchtsregung, hatte seine Freude daran, und so begann denn bei beiden ein Wetteifer, nicht nur in ihrer Liebe zu den Geschwistern, sondern auch – wozu die großen Eisenbahnlinien nach dem Süden und

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