Quitt
Nebenstrich steht!«
»›... Aber weil die Menschen ihr Glück nur ertragen können...‹«
»Ah, ich weiß schon... Ich dachte mir's, daß
das
die Stelle sein würde...«
»Warum gerade
die
, Ruth? Und dabei bist du rot geworden. Aber ich will nichts gesagt und nichts gesehen haben... Und nun rücke nur wieder näher an Maruschka heran und hilf ihr bei dem Shawl, sonst wird er erst fertig, wenn wir ihren achtzigsten Geburtstag feiern.«
»Unsinn, Torheit!«
»Oder deine silberne Hochzeit.« Und dabei gab er ihr einen Kuß und sprang rasch aus dem Zimmer.
»Was meint er nur?« sagte Maruschka. »Was will er sagen mit meinem achtzigsten Geburtstag?«
»Ach, liebe Maruschka, was er mit deinem achtzigsten Geburtstag sagen will, das ist nicht schwer, das kann jeder verstehen. Ein achtzigster Geburtstag ist ein achtzigster Geburtstag. Aber was will er sagen mit ›silberner Hochzeit‹? Was soll das?«
Maruschka kam auf sie zu, das Wollvlies wie eine Schleppe hinter sich her, und dabei gingen und klapperten die Nadeln: »Was das heißen soll, Ruth? Silberne Hochzeit! Nun freilich, dein Vater hat nie so lange gewartet, oder auch nicht gekonnt, weil der Tod immer dazwischenkam; aber du mußt doch wissen, was eine silberne Hochzeit ist?«
»Gewiß, Maruschka, gewiß weiß ich, was eine silberne Hochzeit ist. Aber er sprach ja von
meiner
silbernen Hochzeit, und da muß ich doch fragen dürfen, was soll das? Erst muß ich doch eine Braut sein und dann eine Frau...«
»Kommt Zeit, kommt Rat«, sagte Maruschka. »Du wirst eine Braut sein und auch eine glückliche junge Frau. Und dann werden wir zuletzt auch eine schöne silberne Hochzeit haben. Ich bin dann fünfundachtzig oder etwas drüber... Aber wenn man warten kann, kommt alles.«
Ruth nahm der Alten Hand. »Ach, Maruschka, ich will dir's nur gestehen, ich weiß alles, was Toby meinte... Die Tage hier vergehen so still, und das Leben ist so gleich und arm.«
Und dabei seufzte sie.
»Nicht so, Ruth. Das kleidet dir nicht, dir kleidet bloß Fröhlichkeit und Lachen. Und die Heilige Jungfrau, die hilft. Aber das darfst du dem Alten nicht sagen, daß ich dir von der Heiligen Jungfrau gesprochen habe. Das mag er nicht.«
Und nun lachte Ruth wieder.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Ende Oktober schlug das Wetter um, und nachdem bis dahin wundervolle Herbsttage geherrscht hatten, stellten sich nun Sturm und Regen ein. Der vom Gebirge herabkommende kleine Fluß, der den ganzen Sommer über mit nur wenig Wasser durch Nogat-Ehre hingeplätschert war, stieg plötzlich über seine Ufer und überschwemmte den etwas tiefer gelegenen Park. Zum Teil standen auch die Felder unter Wasser, und nur mit großer Anstrengung hielt man die Verbindung mit dem Stationshause von Darlington aufrecht, ohne welche Verbindung man von der Welt abgeschnitten und ohne Zeitungen und Briefe gewesen wäre. Die Wege zu den über das Tal hin zerstreuten Indianerdörfern aber blieben grundlos und der Mehrzahl nach unpassierbar.
So verlief eine Woche. Da ließ endlich der Regen wieder nach, ein auftrocknender Wind ging, und Anfang November, am Allerseelentag, war alles wieder so weit passierbar geworden, daß Bruder Krähbiel, der das Bekehrungswerk und die Missionsschule bei den benachbarten Arapahos leitete, von dem kaum zwei deutsche Meilen entfernten und unter der Herrschaft von Gunpowder-Face stehenden großen Dorfe Navaconsin in Nogat-Ehre eintreffen und bei Obadja vorfahren konnte. Das Gefährt, in dem er kam, war freilich, um der schlechten Wege willen, so primitiv wie möglich gewählt worden und bestand aus einer ungefügen Schlittenschleife, vor die zwei Kühe gespannt waren. Ein alter, in eine dicke Friesdecke gehüllter Indianer, mit einem Zylinder auf dem Kopf, der mit dem Tottoschen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit hatte, hatte die Zügel in Händen, unmittelbar hinter ihm aber saß Bruder Krähbiel selbst in einem Schafpelz und einer Otterfellmütze. Denn der austrocknende Wind, sosehr man sich seiner freute, war doch von empfindlicher Kälte.
Krähbiel, steif und klamm geworden, suchte sich, so gut es ging, aus dem Schlittenstroh herauszuwinden, eh er aber damit zustande kommen konnte, waren auch schon Lehnert und Toby, die das Herankommen des Gefährts vom Oberstock aus gesehen hatten, ihm helfend zur Seite, halb von Diensteifer und Menschenfreundlichkeit, halb auch von Neugier geleitet. Und diese Neugier steigerte sich selbstverständlich noch, als das Gesicht, das Bruder
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