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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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vorsichtig durch Schlamm und Tümpel hin.
    Um drei Uhr war man in dem großen Dorf und hielt vor dem Hause, darin Gunpowder-Face gewohnt und das Zeitliche gesegnet hatte. Man stieg, so rasch es ging, ab und trat gleich danach in einen großen qualmigen und nur spärlich erleuchteten Raum, in dessen Mitte die Witwe des Toten den offenen Sarg, mit zwei Fackeln zu Häupten, aufgestellt hatte. Was sich Obadja sofort bei seinem Eintreten aufdrängte, war ein deutlich erkennbarer Gegensatz im Kreise der schon Versammelten, unter denen einige, besonders Frauen und Kinder der nächsten Anverwandtschaft, einen schmerzbewegten, beinah rührenden Eindruck machten, während andererseits allerlei dunkle Gestalten in den Ecken umherstanden, denen man ansah, daß ihnen das Erscheinen der weißen Männer aus Nogat-Ehre wenig gefiel, auch nicht gefallen konnte, da von diesem Augenblicke an nur zu sicher war, daß ihnen der Tote, den ihre Zauberer in der Sterbestunde noch wieder zurückerobert zu haben glaubten, nun doch entrissen werden würde. L'Hermite hatte seine Freude daran, während Obadja ehrlich zusammenschrak, nicht um seiner selbst willen, er war furchtlos, wohl aber, weil er jetzt erst die Gefahr sah, in der die Seele des erst neuerlich Bekehrten geschwebt haben mußte. Das alles aber ging vorüber, und er begegnete fest und ruhig den feindlichen Blicken, die sich auf ihn richteten. Dann, während er der Witwe Hand nahm, trat er mit dieser zugleich an den Sarg und sagte: »Seht her, so stirbt ein Christ! Er wanderte lange Jahre durch Irrsal und Dunkel, bis ihm das Licht des Heilands und in seinem Heilande das Licht der Erlösung leuchtete. Davon seht ihr einen Abglanz in seinem Angesicht. Er starb in Frieden, und sein letztes Wort bekannte sich zu dem neuen Glauben, den er, trotz vieler Gegnerschaft, aufrichtig ergriff und ehrlich festhielt. Und nicht tot war dieser Glaube, nein, es war ihm gegeben, diesen seinen Glauben auch zu betätigen. Er brach mit der Unsitte der Vielweiberei,
einer
gehörte sein Haus« (hier richtete sich sein Blick auf die Squaw) »und
einer
gehören seine Kinder. Er sah, sag ich, das Licht, und die Finsternis fiel von ihm. Und nun hebet seine irdische Hülle, daß wir sie hinaustragen und sie betten in geweihter Erde, über die der Spuk und die Zauberer und die Hölle selbst keine Macht haben.«
    Einige der Hintergrundsgestalten verfielen bei diesen Worten in ein Grinsen, aber die, die mehr in vorderster Reihe standen, traten trotzdem an den Sarg heran und hoben ihn und trugen ihn hinaus, während Obadja und all die andern aus Nogat-Ehre folgten.
    Der christliche Begräbnisplatz war verhältnismäßig nah und lag an einem Abhange, der den Raum zwischen dem Dorf und einem schmalen, auf der Höhe sich hinziehenden Waldgürtel ausfüllte. Das Wetter hatte sich vollkommen geklärt, und nur das Gras, daran Regentropfen hingen, und mehr noch der Lehm, der hoch aufgeschüttet zu Häupten des Grabes lag, erinnerten an das Unwetter, das so lange geherrscht hatte. Vorsichtig setzte man den Sarg auf ein paar über die Grube gelegte Bretterbohlen, und alle die, die zur Mennonitengemeinde gehörten, traten nunmehr heran und stellten sich, wie schützend, um das Grab, während alle die, die noch zu Manito hielten und die Bekehrung ihres Häuptlings nur mit Widerwillen gesehen, weiter hinauf, am Waldrande hin, ihre Aufstellung genommen hatten. Da standen sie, die meisten ein Tierfell um die Schulter, den Jagd- und Kriegsspeer in der Hand, und folgten einigermaßen ingrimmig dem Hergange, der ihnen und ihrem Gotte den Häuptling für immer entreißen sollte. Der heftige Wind hatte sich schon seit einer Stunde gelegt, und statt der Sturmwolken zogen einzelne, von der Spätnachmittagsonne durchleuchtete Nebelstreifen über die Wipfel der Bäume hin.
    Obadja sah dem allem eine Weile zu. Dann gab er das Zeichen, und der Sarg, um den man Tücher und Stricke gelegt hatte, glitt nun langsam in die Tiefe. Die Squaw wollte nachspringen. Aber es war nur ein nicht allzu ernstlich gemeinter Anlauf, den zu hindern der ihr zunächst stehende Bruder Krähbiel und ein jüngerer ihm unterstellter Missionar keine zu große Schwierigkeit hatten. Und nun trat Obadja bis dicht an das Grab heran und sagte: »Die Sonne, lieben Freunde, sinkt dahin, aber sie bettet sich nur, um desto schöner wieder aufzustehen. Und das ist
unser
Zeichen. Das ist das Zeichen, in dem wir siegen. Auch du, Freund, wirst auferstehen von der Stätte, darin

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