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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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unter allseitiger Zustimmung aufgenommen und dabei festgesetzt wurde, sofort ans Werk gehen zu wollen. Und wirklich, eh noch die Fluruhr zehn schlug, fuhr auch schon ein auf niedrigen Rädern gehender, im übrigen aber langgestreckter und mit zwei starken Pferden bespannter Korbwagen vor, auf den die schon in der Halle Wartenden aufstiegen. Es waren ihrer vier, zunächst Ruth und Toby, die vorn auf einem Häckselsack Platz nahmen, dann Kaulbars und Lehnert. Hinter und zwischen ihnen lagen Axt und Grabscheit und ein paar starke Stricke zum Umwuchten, denn man hatte vor, nicht ein Bäumchen, sondern einen wirklichen Baum nach Hause zu bringen. Der fünfte von der Partie war Uncas. Er sollte, nach aller Wunsch und Plan, eigentlich mit aufsteigen, denn der Weg war weit; Uncas zog es aber vor, nebenherzutrotten, mutmaßlich, um auch heute wieder, wie das seine Art war, einen Vorsprung zu gewinnen und dann Ruth, unter Gebläff und Freudengewinsel, an sich vorbeipassieren zu lassen. Obadja, nachdem er übrigens erst nach einigem Zögern seine Zustimmung zu der Fahrt gegeben hatte, war mit auf die Rampe hinausgetreten, küßte Ruth und gab Toby Verhaltungsregeln. Er solle nicht zu hoch in das Gebirge hineinfahren und überhaupt sich mit der Rückkehr beeilen, das Barometer sei stark gefallen, und irgendwas wie Regen oder Sturm stehe mutmaßlich in Aussicht. Toby wisse ja, daß dergleichen oft schnell komme. Vor allem aber solle er nicht eigensinnig, unter Zeitverlust und Fährlichkeit, nach einer Tanne suchen; wenn solche nicht gleich da sei, so solle er nicht vergessen, Kiefer oder Fichte täten es auch. Und damit Gott befohlen. Und nun trat er wieder in den Flur zurück, und während Uncas, überglücklich, mit dabeizusein, an den Pferden in die Höhe sprang, fuhr der Wagen von der Rampe hinunter und mit einer kleinen Biegung nach rechts auf das Waldgebirge zu.
     
    Das Wetter war prachtvoll, dabei milde wie ein Frühlingstag, und ein von der Wintersonne durchleuchtetes Gewölk, das über den Kamm zog, steigerte nur die Schönheit des Bildes und den Genuß der Fahrt. Man sprach wenig, den wie gewöhnlich so auch heute ziemlich redseligen Kaulbars ausgenommen, der über die Küchenmädchen schimpfte, von denen eine gestern abend ein ganzes Blech voll Pfeffernüsse habe verbrennen lassen; seine Frau habe sich denn auch über solche »Veraasung« gar nicht beruhigen können. Aber das komme davon, wenn man lauter spielrige Indianergören in die Küche nähme und keinen richtigen Backofen habe. So bloß, mit Eisenblech und Steinkohlen, womit sie jetzt alles machen wollten, damit ginge so was nich – so 'n richtiger alter von Lehm, der aussäh, als ob er keinen Tag mehr leben könne,
das
sei die beste Sorte, da sei Verlaß drauf, und von gleich Verbrennen und Schwarzwerden sei keine Rede nich. Aber das seien so die verdammten Verbesserungen, die, bei Licht besehen, nie keine nich wären; immer was Neues und dann wieder was Neues, und schon sein Vater selig habe gesagt: »Glaube mir, Martin, die Bockmühlen sind
doch
besser als die holländischen.«
    In demselben Augenblicke, wo Kaulbars seinen Vater selig zitierte, stieß er mit dem Fuß an das Grabscheit, das gerade vor ihm lag und mit seiner Spitze zwischen Sohle und Oberleder eindrang. Das war ihm gar nicht recht, und er sagte: »Merkwürdig! Voriges Jahr hatten wir die Zypresse, heute haben wir das Grabscheit. Immer wie Kirchhof und Dotengräber. Is doch wahrhaftig, als ob wir aus so was gar nicht mehr rauskommen sollten.«
    Die Geschwister hörten das alles, trotzdem sich die Rede nur an Lehnert gerichtet hatte. Toby nahm Anstoß daran und wandte sich und sagte:
    »Nicht so, Mister Kaulbars. Die Dinge sind das, wofür wir sie nehmen, in
dem
Glauben hat der Vater uns großgezogen, und Aberglauben und Vorbedeutungen oder auch Stunden- und Tagewählerei gehören nicht unter die Mennoniten und am wenigsten nach Nogat-Ehre.«
    »Na«, sagte Kaulbars, »wenn es man wahr ist. Unser alter Rüthnick war auch gegen Aberglauben, und jeder gebildete Mensch is gegen Aberglauben. Aber die Geschichte mit dem Anno 13 über Eck gebrachten und dann heimlich unten in 'n Keller eingebuddelten französischen Tambour, der, wenn was los war, immer rumorte und trommelte,
die
hat er doch nich wegpriestern können, und die Geschichte von ›Rotmützeken‹, der immer aufs Dach saß, wo Feuer kommen sollte, ja, sehen Sie, Mister Toby,
die
hat er auch nich wegpriestern können.«
    »Dummheit«, sagte

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