Quitt
Toby.
»Nein«, antwortete Kaulbars gereizt. »Nich Dummheit. Man bloß zu klug sein ist Dummheit.«
So sprach man noch eine Weile weiter, bis Lehnert beschwichtigend einfiel und lachend sagte, Rübezahl habe sich in Nogat-Ehre nicht halten können und sei verbrannt worden, und wo sich Rübezahl nicht habe halten können, da wär auch kein Platz für den französischen Tambour und für Rotmützeken und auch nicht einmal für den Glauben an sie.
Daraufhin wurde denn wieder Friede geschlossen, und die Fahrt ging weiter, bis man nach anderthalb Stunden an dem ins Gebirge hineinführenden Eingange hielt, keine tausend Schritt von dem hügelartigen Abhang entfernt, auf dem das verfallene Fort O'Brien aufragte, dasselbe, das Lehnert noch zur Sommerzeit besucht und von dem aus er seinen ersten Ritt ins Gebirge gemacht hatte. Lehnert und Kaulbars stiegen ab, nahmen Axt und Spaten und wollten eben, am Wagen vorbei, den schluchtartig ansteigenden Pfad weiter hinaufklettern, als Toby von der Lust erfaßt wurde, mit dabeizusein.
»Ich möchte doch mit«, wandte er sich fragend an Ruth. »Ängstigst du dich, wenn du eine halbe Stunde allein bleibst?«
Ruth lachte. »Vor wem sollt ich mich ängstigen? Am hellen lichten Tag. Es muß gerade Mittag sein. Und Uncas ist bei mir. Der schützt mich besser als ihr alle zusammengenommen, du und Mister Kaulbars... und Lehnert«, setzte sie zögernd hinzu.
Toby gab ihr die Leinen. Aber von einer merkwürdigen Furcht erfüllt, oder vielleicht auch, weil er sich Vorwürfe machte, drang er lebhaft in sie, nicht von der Stelle weichen zu wollen, damit man sicher sei, sie hier wieder zu finden, gerade hier. Und nun trennte man sich.
»In einer Stunde sind wir wieder da«, sagte Toby.
»Sagen wir lieber zwei«, setzte Kaulbars vorsichtig hinzu.
Sie stiegen nun einen schmalen, tief eingeschnittenen Weg hinauf, der ziemlich parallel mit dem lief, der auf Fort O'Brien zuführte. Toby schritt voran, weil er am besten Bescheid wußte, Lehnert und Kaulbars folgten. Sehr bald verbreiterte sich die Schlucht, wenn auch nicht viel, und zeigte zu beiden Seiten allerlei Laubholz. Kaulbars, kein Bergsteiger und bald außer Atem, bat, eine kleine Rast machen zu dürfen, und so setzte man sich denn auf einen Eichenstamm, der abgebrochen am Wege lag. Der Weg selbst war immer noch schmal genug, und die Buchen, die bis dicht heran standen, wölbten mit ihrem kahlen Gezweig beinah eine Laube. Aber überall waren offene Stellen, und als Lehnert mit Hilfe derselben Umschau hielt, sah er, daß der Mittagshimmel seine Bläue verloren hatte; die Sonne war fort, Wolken zogen, und in den hohen Kronen war ein Wiegen und Wehen.
»Ich denke, wir eilen uns. Wenn mir recht ist, ist ein Wetter im Anzug; ich schmecke Regen.«
Kaulbars, der immer widersprach, widersprach selbstverständlich auch diesmal. Alles in der Welt sei trügerisch und ohne Verlaß, aber das Unverläßlichste sei doch das Wetterglas, und er seinerseits glaub an Regen immer erst, wenn er schon da sei.
Trotz dieser Rede brach er auf, weil er nicht hören wollte, er sei schuld.
Der Weg blieb so ziemlich derselbe, und erst als man abermals tausend Schritt oder mehr höher hinauf war, kam nach links hin eine große Lichtung, eine Waldwiese, darauf Gras und Huflattich und hohe Farnkräuter standen, alles winterlich vergilbt. Jenseits dieser Lichtung aber, die nicht breiter als fünfhundert Schritt sein mochte, begann der eigentliche Hochwald, mächtige Tannen, in die, soviel sich erkennen ließ, Kiefern und auch einzelne Birken eingesprengt waren. Auf diesen Hochwald wollte man jetzt zu; bevor man aber die Lichtung, geschweige den jenseitigen Wald erreichen konnte, fielen schon einzelne Flocken aus dem überallhin grau gewordenen Himmel. Noch federten sie leicht über die Bäume hin, sprang aber, was oft geschah, der Wind um und trieb die Schneewolkenmassen von der Ebene her an das Gebirge heran, so konnte sich's ereignen, daß in einer halben Stunde Wald und Wege verschneit waren.
»Laßt uns umkehren«, sagte Lehnert, der mit den Wettertücken im Gebirge am besten vertraut war. Aber Toby hatte den Leichtsinn und Übermut der Jugend, und auch Kaulbars, als er erst wahrnahm, daß Toby die Verantwortung übernehmen wollte, mochte sich's nicht versagen, sich Lehnert gegenüber mal wieder auf den superioren Mann aus dem Glien hin auszuspielen, und erging sich in Bemerkungen, in denen Worte wie »feuerfest« und »man nich ängstlich«
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