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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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aber doch wohl zu früh ist und selbst in der Freiheit nicht vorkommen sollte. Sophie, die zweite, hantiert am geschicktesten und is ein Daus im Geschäft und wird es wohl mal übernehmen. Und Philippinchen, die nun erst vier ist und die wir Pippi nennen, klebt auch schon, und ich sage Dir, alles sauber und akkurat, daß es eine Freude ist, und ganz flink. Eigentlich war ich dagegen, ich meine das mit ›Pippi‹, mit dem Namen, der mir ein bißchen genierlich vorkam, aber Hecht sagte: ›Warum nicht, Ida? Drüben die bei Geheimrats heißt Lolo, warum soll unsere nicht Pippi heißen?‹ Und seitdem heißt sie so. Recht hat er. Aber nun muß ich schließen, denn wir haben alle Hände voll zu tun, weil wir zum Fest diesmal eine Weihnachtsbude haben wollen, und Ulrike soll in der Bude sitzen und verkaufen. Und bis dahin sind bloß noch vierzehn Tage. Denn den elften fängt ja der Weihnachtsmarcht an, das wirst Du wohl noch wissen, auch wenn Ihr drüben keinen habt. Denn wenn der Bußtag in Sachsen auch anders liegt als bei uns (wobei ich die Sachsen eigentlich nich recht begreife), so denk ich mir doch: Weihnachten ist überall gerade zu Weihnachten und auch in Amerika. Eben kommt Pippi und will Goldpapier. Gott, mir brummt der Kopf, wie wenn schon Marcht und Weihnachten wäre... Am elften, wenn wir die Bude aufmachen, dann denkt an uns. Es ist doch ein wichtiger Schritt, auch wegen Ulrike. Deine ewig unveränderte Schwester Ida Hecht geb. Kaulbars.«
    Dieser Brief, der trotz seiner in mehr als einem Stück anfechtbaren Adresse: »Herrn Martin Kaulbars aus Preußen (Kreis Ost-Havelland), zur Zeit in Nogat-Ehre bei Darlington; Indien Trottoiry, Amerika...« glücklich angekommen war, hatte die bei dem Hinweis auf den elften Dezember ganz natürlich von einem weihnachtsmarktlichen Gefühl ergriffenen Kaulbarse sofort mobil gemacht und nach Nogat-Ehre hinübergeführt, wo sie, wenn auch keinen Weihnachtsmarkt, so doch ein paar weiße Christenmenschen vorfanden, in deren Gesellschaft es am Heiligen Abend immerhin besser war als auf dem Vorwerk und sich, wenn weiter nichts, wenigstens ein paar Nüsse vergolden und ein paar Lichter anzünden ließen.
     
    Kaulbars und Frau waren nun also wieder in Nogat-Ehre, verträglicher und umgänglicher als gewöhnlich, was in einer gewissen Weihnachtsstimmung seinen Grund hatte. Trotzdem war man im Oberstocke froh, sie nur an den ersten zwei, drei Abenden erscheinen und sich bald danach auf ihr Küchen- und Wirtschaftsdepartement beschränken zu sehen. In Wirtschaft und Küche war ihnen am wohlsten, weil sie sich hier am nützlichsten machen konnten.
    Frau Kaulbars, die bei der alten Pfefferküchlerin Winkler in Neu-Ruppin ihre Anlernejahre durchgemacht hatte, war in diesem Dienstverhältnis eine gute Kuchen- und Pfefferkuchenbäckerin geworden, die, wenn es sein mußte, sogar französische Zitronat-Gewürzkuchen backen konnte, was ihr schon beim vorjährigen Weihnachtsfeste, trotzdem Maruschka aus der Thorner Pfefferkuchengegend war, einen Oberaufsichtsposten auf diesem Gebiete eingetragen hatte. Das wiederholte sich jetzt, während er, Kaulbars, von der Mitte des Monats an, den Post- und Reisedienst übernahm und aus Halstead, und selbst aus Denver, alles herbeischaffte, was zu Geschenken und Bewirtung noch fehlte. Zugleich war ihm aufgetragen, sich um Tischplatten, Ständer und Holzböcke zu kümmern, für den Fall, daß der große Tisch in der Halle nicht ausreichen würde.
    So war die eigentliche Festwoche herangekommen; nur noch vier Tage standen zur Verfügung, und doch fehlte noch immer die Hauptsache: der Baum. Ihn zu beschaffen war jetzt höchste Zeit und führte zu Verhandlungen, in denen der von seinen verschiedenen Missionen eben zurückgekehrte Kaulbars kategorisch erklärte: So wie früher ginge das nicht, und von einer Zypresse, »bloß weil sie auch Nadeln habe«, könne diesmal keine Rede sein. Er habe schon das vorige Jahr zu Obadja gesagt, Zypresse sei ganz gut und er habe nichts gegen Zypressen, aber das Zypressige sei nun mal für die Dodigen und nicht für die Lebendigen, und Weihnachten sei kein Kirchhof. Es müßte partout eine propre Tanne sein, so was Schlankes wie Miss Ruth, und wenn es eine Tanne nicht sein könne, na, denn eine Kiefer oder eine Kussel. Irgendwas werde sich doch wohl finden lassen, vielleicht schon drüben im Park, und wenn nicht da, so doch oben im Gebirge.
    Es bedarf keiner Versicherung, daß die Rede Kaulbars' (Obadja war nicht zugegen)

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