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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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töten. Doch zuvor soll Glaukos von den Ältesten der Brüder, vom Bischof oder dem Apostel verurteilt werden. Töten ist nicht schwierig; einen Verräter töten ist so angenehm wie einen Bären oder Wolf erschlagen. Doch wenn Glaukos unschuldig sterben würde? Wie kann er sich einen neuen Mord, eine neue Sünde, eine neue Beleidigung des Lammes aufs Gewissen laden?
    „Zur Untersuchung reicht die Zeit nicht hin, mein Sohn“, sagte Chilon. „Der Verräter wird vom Ostrianum geradeswegs zum Cäsar nach Antium eilen oder sich im Hause eines gewissen Patriziers, dem er dient, verbergen. Ich werde dir ein Zeichen geben. Wenn du es nach der Tat vorzeigst, werden der große Apostel und der Bischof dich segnen.“
    Bei diesen Worten holte er eine kleine Münze hervor und begann im Gürtel nach einem Messer zu suchen. Als er es gefunden, ritzte er mit der Spitze das Kreuzzeichen in das Metall. Diese Münze händigte er dem Arbeiter ein.
    „Hier ist das Urteil gegen Glaukos und das Zeichen für dich. Zeige das nach Glaukos’ Tode dem Bischof, und er wird dir die ungern vollbrachte Tötung vergeben.“
    Unwillkürlich streckte Urban die Hand nach der Münze aus. Doch die Erinnerung des ersten Totschlags erwachte plötzlich so stark, daß er erschrocken innehielt.
    „Mein Vater“, sagte er flehentlich, „wirst du diese Tat auf dein Gewissen nehmen? Hast du Glaukos wirklich beim Verrat betroffen?“
    Chilon sah ein, daß er Beweise bringen, Namen nennen mußte, sonst könnten Zweifel den Hünen beschleichen. Plötzlich kam ihm ein glücklicher Gedanke.
    „Höre, Urban“, sagte er, „ich wohne in Korinth, kam jedoch von Kos hierher. Hier unterrichte ich eine gewisse Sklavin, Eunike, in der christlichen Lehre. Sie dient als Vestiplica im Hause eines Freundes Neros, Petronius. In jenem Hause habe ich gehört, daß Glaukos alle Christen verraten will und zudem einem anderen Ohrenbläser des Cäsars, Vinicius, versprochen hat, für ihn ein gewisses Mädchen unter den Christen ausfindig zu machen.“
    Er hielt inne und betrachtete erstaunt den Arbeiter, dessen Augen auf einmal wie die eines wilden Tieres aufflammten und dessen Züge rasende Wut verrieten.
    „Was kommt dich an?“ fragte Chilon beinahe furchtsam.
    „Nichts, mein Vater. Morgen will ich Glaukos töten.“
    Der Grieche schwieg. Nach einer Weile nahm er den Riesen am Arm, drehte ihn so, daß das Mondlicht voll auf sein Gesicht fiel, und betrachtete ihn forschend. Unzweifelhaft überlegte Chilon, ob er weiter in den Hünen dringen und sich Klarheit verschaffen oder mit dem sich begnügen sollte, was er gehört hatte oder vermutete.
    Seine Klugheit siegte. Er atmete zwei-, dreimal tief und fragte mit feierlicher Stimme:
    „Den Namen Urban erhieltest du in der heiligen Taufe?“
    „Ja, mein Vater.“
    „Friede sei mit dir.“

XVIII
    Petronius an Vinicius:
    „Dein Fall ist schlimm, carissime! Ganz offenbar hat Venus Deinen Geist verwirrt, Dich der Vernunft und des Gedächtnisses sowie der Kraft beraubt, an etwas anderes als Deine Liebe zu denken. Du solltest noch einmal Deine Antwort auf meinen Brief lesen, dann würdest Du sehen, wie gleichgültig Deiner Seele alles außer Lygia geworden ist, wie ausschließlich sie sich mit ihr beschäftigt, wie sie immer wieder zu ihr zurückkehrt und sie gleichsam umkreist wie der Falke seine Beute. Bei Pollux! Finde sie schnell, oder es wird aus Dir, wenn Dich das Liebesfeuer nicht ganz in Asche verwandelt, eine ägyptische Sphinx, die, wie man sagt, für die bleiche Luna entbrannte und nun, taub und gleichgültig für alles andere, nur noch auf die Nacht wartet, um mit versteinertem Auge nach der Geliebten zu schauen.
    Durchstreife des Abends verkleidet die Straßen, besuche selbst die christlichen Gebetshäuser in Deines Philosophen Gesellschaft – was immer die Hoffnung erregt und die Zeit totschlägt, ist lobenswürdig. Aber um unserer Freundschaft willen: Miete Kroton und geht zu dritt aus, das wird sicherer und weiser sein. Ursus, Lygias Sklave, ist ein Mensch von ganz außergewöhnlicher Kraft; da Pomponia und Lygia zu den Christen gehören, sind diese gewiß keine solchen Schufte, wie viele sich einbilden; befindet sich aber ein Lamm ihrer Herde in Gefahr, so handeln sie nicht kleinlich, das hat der Vorfall mit Lygia bewiesen. Wenn Du Lygia siehst, wirst Du Dich nicht beherrschen können, dessen bin ich gewiß, sondern versuchen, sie auf der Stelle fortzutragen. Wie sollte dies aber Dir und Chilonides gelingen?

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