Quo Vadis
sie wieder, rief ihren Namen, beugte sich auf ihre Hände nieder und küßte sie mit ehrfurchtsvoller Huldigung. Sein Glück war grenzenlos wie seine Liebe.
Er begann zu erzählen, wie er von Antium hergeflogen sei, sie vor den Stadtmauern, im Rauche des Hauses des Linus gesucht habe, was er gelitten und erlebt, bevor der Apostel ihn hergeführt habe.
„Und nun, da ich dich gefunden, sollst du nicht länger in der Nähe des Feuers und des rasenden Volkes bleiben. Einer schlägt den anderen tot, Sklaven haben sich empört und plündern. Gott allein weiß, was Rom noch bevorsteht. Doch ich will dich, euch alle retten. Geliebte, laß uns nach Antium reisen, dort ein Schiff besteigen und nach Sizilien segeln. Mein Gut ist dein Gut, meine Häuser sind deine Häuser. In Sizilien finden wir Aulus. Ich bringe dich zu Pomponia zurück, um dich aus ihren Händen wieder zu empfangen. Hab keine Furcht mehr, o carissima! Christus hat mich zwar noch nicht durch die Taufe gereinigt, allein frage Petrus, ob ich ihm auf dem Wege hierher nicht den sehnlichen Wunsch ausgesprochen habe, ein wahrer Bekenner Christi zu werden, ob ich ihn nicht gebeten habe, mich zu taufen, und wäre es in dieser Steinbrecherhütte. Glaube mir, glaubt mir alle!“
Strahlenden Gesichts vernahm Lygia diese Worte. Wie früher, als sie durch die Juden verfolgt wurden, so lebten die Christen auch jetzt infolge des Brandes und der dadurch verursachten Verwirrung in beständiger Furcht und Ungewißheit. Eine Reise nach dem ruhigen Sizilien würde jeder Gefahr ein Ende machen und einen neuen, glücklichen Abschnitt ihres Lebens eröffnen. Hätte Vinicius nur Lygia mitnehmen wollen, so würde sie sich dieser verlockenden Aussicht dennoch widersetzt haben, da sie bei Linus und Petrus zu bleiben wünschte, doch Vinicius sagte zu diesen:
„Kommt mit uns, meine Güter sind eure Güter, meine Häuser sind eure Häuser.“
Lygia beugte sich nieder, um zum Zeichen des Gehorsams seine Hand zu küssen, und sagte die Worte der römischen Braut:
„Wo du bist, Cajus, bin ich, Caja.“
Bestürzt darüber, daß sie Worte gebraucht hatte, die sonst nach römischer Sitte erst bei der Vermählung von der Braut gesprochen wurden, errötete sie tief und stand nun gesenkten Hauptes im Scheine des Feuers, in Furcht, Vinicius könne das Gesagte mißdeuten. Doch aus seinem Antlitz sprach unbegrenzte Verehrung. Zu Petrus gewendet, fuhr Vinicius fort:
„Rom brennt auf Befehl Neros. In Antium klagte er, noch nie einen großen Brand gesehen zu haben. Wenn solch ein Verbrechen ihm nicht zu groß ist, was mag da noch alles geschehen! Wer weiß, ob er nicht Truppen herführt und ein allgemeines Blutbad befiehlt? Wer weiß, welche Verbannungen bevorstehen? Wer weiß, ob nicht Bürgerkrieg, Mord und Hungersnot die Folgen des Brandes sein werden? Verbergt euch darum, und helft mir, Lygia in Sicherheit zu bringen. Dort mögt ihr warten, bis der Sturm vorüber ist, und dann wieder hierhereilen, um euer Samenkorn auszustreuen.“
Wie um seine Befürchtungen zu bestätigen, erscholl aus der Richtung des Vatikanischen Feldes ein Wutgeheul. Gleich darauf kam der Steinbrecher, der Eigentümer dieser Hütte, herein, schloß die Tür hastig hinter sich zu und berichtete:
„Sklaven und Gladiatoren haben die Bürger überfallen. Beim Zirkus Neros wird ein Blutbad angerichtet.“
„Hört ihr es?“ fragte Vinicius.
„Das Maß ist voll“, erwiderte der Apostel. „Wie ein endloses Meer werden Heimsuchungen hereinbrechen. Nimm das Mädchen, das dir Gott bestimmt hat, und rette sie. Linus, den Kranken, und Ursus laßt mit euch gehen.“
Vinicius, der den Apostel mit all dem Ungestüm seiner jungen Seele liebengelernt hatte, erklärte:
„Ich schwöre, mein Lehrer, daß ich dich nicht hier deinem Verderben überlassen will.“
„Der Herr segne dich für deinen guten Willen“, antwortete Petrus, „doch weißt du nicht, daß der Meister dreimal zu mir sprach: ‚Weide meine Lämmer‘?“
Vinicius entgegnete nichts.
„Wenn du, dem niemand Sorge um mich befohlen hat, mich nicht dem Verderben überlassen willst, wie magst du da wünschen, daß ich meine Herde in den Tagen der Trübsal verlasse? Als der Sturm auf dem See tobte und wir uns fürchteten, da hat er uns auch nicht verlassen. Soll ich, der Jünger, des Meisters Beispiel nicht befolgen?“
Linus erhob nun sein fleischloses Antlitz und fragte:
„Statthalter des Herrn, warum sollte ich deinem Beispiel nicht folgen?“
Vinicius
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