Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
an Glanz und an Zahl der Opfer weit überragen.
    Tausende von Handwerkern arbeiteten Tag und Nacht an diesem Bau. Man erzählte sich Wunder von den Pfeilern, die mit Bronze, Bernstein, Elfenbein, Perlmutt und Schildpatt eingelegt seien. Rinnen mit eiskaltem Bergwasser sollten an den Sitzen entlangfließen und selbst bei der größten Hitze eine angenehme Frische verbreiten. Ein riesiges Purpurvelarium schützte vor den Sonnenstrahlen. Zwischen den Sitzreihen wurden Gefäße zum Verbrennen arabischen Räucherwerks angebracht; oberhalb der Bänke befanden sich Vorrichtungen zum Bespritzen der Zuschauer mit Safran- und Verbenentau. Die berühmten Baumeister Severus und Celer wandten ihre ganze Kunst daran, um ein Amphitheater zu errichten, das unvergleichlich war und zugleich geräumig genug für eine nie gesehene Menge Neugieriger.
    Am Tage, an dem der Ludus matutinus seinen Anfang nehmen sollte, umdrängte eine unabsehbare Menge schon vor Tagesanbruch die Tore des Amphitheaters und lauschte entzückt dem Brüllen der Löwen, dem heiseren Geheul der Panther und Hunde. Seit zwei Tagen waren die Bestien nicht mehr gefüttert worden, man hatte blutige Fleischstücke vor ihre Gitter geworfen, um ihren Hunger und ihre Wut zu steigern. Bisweilen erklang ein solcher Sturm wilden Geheuls, daß die vor dem Zirkus Wartenden ihr eigenes Wort nicht mehr hörten und die weniger Gefühllosen vor Schreck erblaßten.
    Bei Tagesanbruch erschollen aus dem Kerker des Zirkus laute, ruhig gesungene Hymnen. Das Volk horchte erstaunt auf und rief:
    „Die Christen! Die Christen!“
    In der Tat waren die Nacht zuvor mehrere Gruppen von Christen ins Amphitheater gebracht worden; doch nicht, wie anfänglich geplant, nur aus einem der Gefängnisse, sondern aus allen. Man wußte, die Spiele würden Wochen und Monate dauern; dennoch wurden Zweifel geäußert, ob man an einem Tage mit den für heute bestimmten Christen fertig würde. Es waren so viele Stimmen von Männern, Frauen und Kindern, die eben ihre Morgenhymne sangen, daß erfahrene Zuschauer behaupteten, selbst wenn hundert oder zweihundert zugleich in die Arena gestoßen würden, müßten die Bestien müde und satt werden und wären nicht imstande, alle Opfer vor der Nacht zu zerreißen. Andere meinten, eine allzu große Zahl von Opfern würde nur die Aufmerksamkeit zerstreuen und den Genuß des Ganzen beeinträchtigen.
    Je näher der Augenblick kam, wo die Vomitorien, die Zugänge zum Innern, sich öffnen sollten, desto angeregter und freudiger wurde die Menge. Man tauschte gegenseitig Ansichten über diesen und jenen Punkt aus. Es bildeten sich Parteien, die darüber stritten, ob Löwen oder Tiger im Zerfleischen mehr leisten könnten. Da und dort wurden Wetten angeboten und angenommen. Andere sprachen über die Gladiatoren, die vor den Christen aufzutreten hatten. Auch hier bildeten sich Parteien, je nachdem man den Samnitern oder den Galliern, den Mirmillonen, den Thrakiern oder den Retiariern den Sieg voraussagte.
    Frühmorgens erschienen Abteilungen von Gladiatoren unter Führung ihrer Meister, der Lanisten, vor dem Amphitheater. Um nicht zu früh zu ermatten, gingen sie unbewaffnet, zum Teil ganz nackt, zum Teil große Zweige tragend oder blumenbekränzt, jugendlich, schön, strotzend von Kraft. Ihre geölten Körper schienen aus Marmor gemeißelt und riefen das Entzücken derer wach, die Freunde schöner Körperformen waren. Viele wurden bei Namen gerufen: „Willkommen, Furnius!“ – „Willkommen, Leo!“ – „Willkommen, Maximus!“ – „Willkommen, Diomedes!“ Junge Mädchen blickten bewundernd zu ihnen auf; die Gladiatoren suchten sich das schönste Mädchen aus und antworteten mit Scherzen, als ob keine Sorge sie bedrückte, warfen Kußhände hin und riefen:
    „Umarme mich, bevor der Tod mich umarmt!“
    Dann verschwanden sie hinter den Toren, die sich für so manchen von ihnen nie wieder öffnen sollten.
    Neue Erscheinungen fesselten die Blicke der harrenden Volksmasse. Hinter den Gladiatoren erschienen die Mastigophoren; das waren mit Geißeln bewaffnete Männer, deren Aufgabe darin bestand, die Kämpfenden mit Peitschenhieben aufeinander zu hetzen. Hierauf sah man Esel Karren ziehen, auf denen Holzsärge aufgeschichtet lagen; sie zogen dem Spoliarium zu. Aus der Zahl dieser Särge schlossen die Zuschauer auf die Größe des Schauspiels. Nun traten durch das Tor jene Männer, die die Verwundeten zu töten hatten; sie waren so gekleidet, wie man sich Charon oder

Weitere Kostenlose Bücher