Quo Vadis
übrigen Augustianern einnahm.
„Ist Lygia da?“ fragte Petronius.
„Nein, sie blieb im Kerker.“
„Höre meinen Einfall, aber während du hörst, schaue zu Nigidia hin, damit man glaubt, wir reden von ihrem Haarputz; Tigellinus und Chilon schauen auf uns. Also höre: Laß Lygia diese Nacht in einen Sarg legen und als Leiche forttragen. Das weitere errätst du schon?“
„Ja“, erwiderte Vinicius.
Ihr Gespräch wurde von Tullius Senecio unterbrochen, der sich mit der Frage an sie wandte:
„Wißt ihr, ob man den Christen Waffen gibt?“
„Nein, wir wissen es nicht“, antwortete Petronius.
„Ich sähe es lieber, wenn sie Waffen bekämen“, sagte Tullius, „sonst sieht die Arena zu früh wie eine Fleischbank aus. Welch prächtiges Amphitheater!“
Es war in der Tat prächtig. Die unteren Sitzreihen leuchteten vom blendenden Weiß der Togen. In einer vergoldeten Loge saß Nero, ein Diamantband um den Hals, eine goldene Krone auf dem Kopfe. Neben Nero hatte die schöne, finstere Augusta Platz genommen; umgeben waren die beiden von Vestalinnen, hohen Beamten, Senatoren mit gestickten Togen, Heerführern mit funkelnden Waffen – kurz, alles war da, was Rom an Macht und Reichtum besaß. In entfernteren Reihen saßen Ritter, und oben wogte ein Meer des einfachen Volkes.
Girlanden aus Rosen, Lilien, Efeu und Weinblättern verbanden einen Pfeiler mit dem andern.
Man unterhielt sich laut, rief sich beim Namen und sang. Zuweilen erregte ein witziges, von Reihe zu Reihe weiterfliegendes Wort stürmisches Gelächter. Viele trampelten vor Ungeduld, weil das Schauspiel noch nicht begann. Nach und nach wurde das Stampfen allgemeiner und verursachte einen donnerartigen Lärm. Der Stadtpräfekt, mit glänzendem Gefolge die Arena umreitend, gab endlich mit dem Taschentuch das Zeichen, dem ein A-a-a aus tausend Kehlen antwortete.
Ein solches Schauspiel begann in der Regel mit dem Kampf gegen wilde Tiere, worin sich Barbaren aus Nord und Süd hervortaten. Diesmal waren jedoch zu viele Bestien da, so daß die Andabatae den Anfang machten, Männer mit Helmen ohne Augenöffnung, so daß sie blind kämpfen mußten. Eine Schar solcher seltsamen Kämpfer betrat die Arena, sie schlugen aufs Geratewohl mit dem Schwerte um sich. Die Mastigophoren stießen sie gegeneinander, so daß sich die Gegner fanden. Die Vornehmeren unter den Zuschauern blickten mit Verachtung auf dies Schauspiel; die einfachen Leute aber belustigten die unbeholfenen Bewegungen der Kämpfer. Sooft zwei mit den Achseln aneinander stießen, brach die Menge in lautes Gelächter aus. „Links!“ – „Rechts!“ schrie man und täuschte bisweilen absichtlich einen der Kämpfer. Eine Anzahl von Paaren fanden sich jedoch, und der Streit wurde bald blutig. Die Gegner warfen die Schilde weg; einer gab dem anderen die Linke, um einander nicht mehr zu verlieren, und kämpfte mit der Rechten, bis der Sieg entschieden war. Wer fiel, hielt die Finger nach oben und bat damit um Schonung; beim Beginn eines Schauspiels wurde jedoch fast immer der Tod des Besiegten verlangt, besonders wenn dessen Gesicht verhüllt war, so daß keiner ihn kannte. Nach und nach löste sich alles in Zweikämpfe auf, und als schließlich nur zwei übrigblieben, wurden auch sie zusammengestoßen, fielen in den Sand und erstachen sich gegenseitig. Während von allen Seiten „Peractum est“ gerufen wurde, schleppten Sklaven die Leichen hinaus; Knaben verwischten die Blutspuren und streuten Safranblätter über den Sand.
Nun sollte ein Kampf folgen, der nicht nur beim Volk, sondern auch bei den Vornehmen mit Spannung erwartet wurde. Während solcher Kämpfe gingen junge Patrizier oft sehr hohe Wetten ein, wobei sie nicht selten ihr ganzes Vermögen dransetzten. Von Hand zu Hand wanderten Täfelchen, worauf die Namen der Gladiatoren nebst der auf sie gewetteten Summe standen. Am meisten Parteigänger fanden die Spectati, Kämpfer, die bereits in der Arena aufgetreten waren und gesiegt hatten; doch fanden sich auch Wettlustige, die große Summen auf neu auftretende und unbekannte Gladiatoren setzten, in der Hoffnung, wenn diese siegten, dann hohe Summen einzustreichen. Der Cäsar wettete, Priester, Vestalinnen, Senatoren, Ritter wetteten, das Volk wettete. Oft kam es vor, daß Leute, die kein Geld hatten, ihre Freiheit zum Pfände setzten. Klopfenden Herzens erwartete man den Ausgang, und mehr als einer tat laut den Göttern ein Gelübde, um dadurch für seinen Kämpfer den Sieg zu
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