Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
Erbarmens, der du um unserer Sünden willen starbst, vergib ihm um deines Leidens, deines Todes, deiner Auferstehung willen!“
    Und lange noch stiegen seine Gebete zum Himmel empor. Ihm zu Füßen erklang das Stöhnen und Wimmern Chilons:
    „O Christus! Christus! Vergib!“
    Paulus trat an den Brunnen, schöpfte Wasser mit der hohlen Hand und wandte sich dem knienden Sünder zu:
    „Chilon! Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
    Chilon erhob das Haupt, öffnete die Arme und blieb in dieser Stellung knien. Das volle Mondlicht fiel auf seine weißen Haare und das blasse, erstarrte Gesicht. Die Minuten kamen und gingen, in den Gärten Domitians krähten die Hähne; doch Chilon blieb knien, regungslos, gleich einem steinernen Beter. Endlich regte er sich und fragte den Apostel:
    „Was soll ich vor dem Tode tun?“
    Paulus erwachte von seinem Staunen über die unendliche Allmacht, welcher selbst solche Herzen wie dieses nicht widerstehen konnten, und sagte:
    „Glaube und lege Zeugnis ab für die Wahrheit.“
    Sie verließen miteinander die Gärten. Am Tor segnete der Apostel noch einmal den Alten, dann trennten sie sich. Chilon selbst bestand auf der Trennung, da er wußte, der Cäsar und Tigellinus würden ihn verfolgen lassen.
    In der Tat irrte er sich nicht. Bei der Heimkehr fand er sein Haus von Prätorianern umringt, die ihn unter Scaevinus’ Führung sogleich in den Palatin brachten. Der Cäsar hatte sein Lager aufgesucht, doch Tigellinus wachte.
    „Du hast Hochverrat begangen“, sprach er, „und wirst der Strafe nicht entgehen. Wenn du jedoch morgen im Amphitheater bekennen willst, daß du betrunken und verrückt warst und daß die Christen die Anstifter des Brandes sind, so soll dir dein Verbrechen mit Rutenstreichen und Verbannung hingehen.“
    „Ich kann das nicht tun“, erwiderte Chilon fest.
    Langsam trat der Präfekt an ihn heran und fragte mit gedämpfter, doch schrecklicher Stimme:
    „Wie, du kannst nicht, Griechenhund? Warst du nicht betrunken? Weißt du nicht, was dich erwartet? Schau dorthin!“
    Dabei deutete er nach einer Ecke, wo im Schatten neben einer Holzbank vier thrakische Sklaven mit Tauen und Zangen standen.
    Chilon antwortete:
    „Ich kann nicht!“
    Tigellinus war wütend, suchte sich jedoch zu bezwingen.
    „Sahst du“, fragte er, „wie die Christen starben? Willst du ihr Los teilen?“
    Der Alte hob sein blasses Antlitz in die Höhe, seine Lippen bewegten sich wortlos. Endlich erklärte er:
    „Auch ich glaube an Christus.“
    Tigellinus schaute ihn verblüfft an.
    „Hund, du bist wirklich verrückt geworden.“
    Seine Wut ließ sich nicht länger eindämmen. Er stürzte sich auf Chilon, faßte ihn mit beiden Händen am Barte, schleuderte ihn zu Boden, trat ihn mit Füßen und wiederholte wutschäumend:
    „Du wirst widerrufen! Du wirst!“
    „Ich kann nicht!“ entgegnete Chilon.
    „Martert ihn!“
    Die Thrakier hatten kaum den Befehl vernommen, so ergriffen sie den Greis und legten ihn auf die Bank. Nachdem er mittels der Taue daran festgebunden war, begannen sie mit den Zangen seine mageren Schenkel zu klemmen. Er jedoch küßte demütig die ihn folternden Hände; dann schloß er die Augen und schien tot zu sein.
    Er lebte aber noch, denn als Tigellinus sich über ihn beugte und fragte: „Willst du widerrufen?“, regten sich die blutlosen Lippen und flüsterten kaum hörbar:
    „Ich kann nicht.“
    Tigellinus befahl, ihn loszubinden, und schritt wutentbrannt, doch ratlos im Atrium auf und ab. Endlich kam ihm ein Einfall. Er wandte sich den Sklaven zu und sagte:
    „Reißt ihm die Zunge aus!“

LXIII
    Für das Drama „Aureolus“ wurden die Theater und Amphitheater in der Regel so eingerichtet, daß sich zwei getrennte Bühnen für die Darstellung öffneten. Nach den Schauspielen in den kaiserlichen Gärten blieb dieser Gebrauch jedoch unbeachtet, denn diesmal ging man darauf aus, einer so großen Menge als möglich den Genuß zu verschaffen, einen ans Kreuz geschlagenen Sklaven, der im Drama von einem Bären aufgefressen wird, zu sehen. Die Rolle des Tieres führte gewöhnlich ein in dessen Fell gesteckter Schauspieler aus; diesmal aber sollten Darstellung und Wirklichkeit sich decken. Das war eine neue Idee des Tigellinus. Anfangs wollte Nero nicht dabei erscheinen, ging aber auf den Wunsch seines Favoriten von seinem Entschluß ab. Tigellinus erklärte, daß es nach den Vorfällen im Garten um so mehr seine Pflicht sei,

Weitere Kostenlose Bücher