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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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pechbestrichenen Holze, und sein Mörder stand vor ihm. Die Augen Glaukos’ hafteten unverwandt an Chilon, dann und wann umhüllte Qualm das sterbende Antlitz; doch der Wind trieb den Rauch wieder weg, und Chilon sah aufs neue jene Augen auf sich gerichtet. Er wollte fliehen, doch seine Kraft versagte. Seine Füße waren wie bleiern; eine unsichtbare Hand schien ihn mit übermenschlicher Kraft festzuhalten. Er fühlte, daß etwas in seinem Innern gewaltsam zerriß, daß er ein Übermaß von Blut und Martern verursacht habe, daß seine letzte Stunde gekommen sei, wo alles in Nebel zerfließen mußte: der Cäsar, der Hof und die Menge. Rings um sich sah er eine unendliche dunkle Leere ohne einen anderen Gegenstand als jene Augen des Gemarterten, die ihn zum Gerichte riefen. Glaukos’ Haupt sank tiefer und tiefer, seine Augen durchbohrten Chilon. Die Umstehenden ahnten, daß zwischen den beiden Männern Beziehungen bestanden. Das Lachen erstarb auf ihren Gesichtern, denn Chilons Züge waren schrecklich anzusehen, so qualverzerrt, als ob die Flammen seinen Körper verzehrten. Er taumelte und schrie mit schaudererregender Stimme, indem er die Arme nach seinem Opfer ausstreckte:
    „Glaukos! Um Christi willen! Vergib mir!“
    Lautlose Stille trat ein, alle hatten nur Augen für die zwei Männer.
    Das Haupt des Gemarterten bewegte sich leicht; von der Höhe des Mastes herab klang es stöhnend:
    „Ich vergebe!“
    Chilon warf sich zu Boden und heulte wie ein Tier, kratzte mit beiden Händen Erde auf und warf sie sich über das Haupt. Die Flammen loderten höher, ergriffen Brust und Antlitz des Blutzeugen, der Myrtenkranz auf dem Haupte löste sich, die Bänder an der Pfahlspitze brannten lichterloh.
    Als Chilon nach einer Weile sich erhob, war er so verändert, daß die Augustianer ihn kaum erkannten. Seine Augen flammten in einem Feuer, wie man es nie zuvor an ihm gesehen; der vor kurzer Zeit so unbedeutende Grieche glich nun einem gottbegeisterten Priester, der nie geahnte Wahrheiten zu künden bereit war.
    „Was ist geschehen? Ist er irrsinnig geworden?“ fragte man sich.
    Er warf die rechte Hand empor und schrie, ja brüllte, so daß nicht bloß die Augustianer, sondern auch die Menge ihn hören mußte:
    „Römer! Ich schwöre bei meinem Tode, daß hier Unschuldige sterben. Hier ist der Brandstifter!“
    Und er wies mit dem Finger auf Nero. Dann folgte Schweigen. Die Augustianer waren wie versteinert. Chilon streckte den zitternden Arm immer noch gegen Nero aus. Ein Aufruhr erhob sich plötzlich. Gleich einer vom Sturme getriebenen Woge stürzte die Menge auf den Alten zu, um ihn besser sehen zu können. Da und dort schrie einer: „Haltet ihn!“ Von anderen Seiten her ertönte es: „Wehe uns!“ Man hörte zischen: „Feuerbart! Muttermörder! Brandstifter!“ Der Aufruhr wuchs von Minute zu Minute. Die Bacchantinnen kreischten ohrenzerreißend und flüchteten in die Wagen. Einige verbrannte Pfähle stürzten um, warfen glühende Teile in die Menge und machten die Verwirrung noch größer. Eine dichte Menschenmenge riß Chilon mit sich fort und trug ihn in die Tiefe des Gartens.
    Die Pfähle waren verkohlt und fielen in jeder Richtung über die Wege, die Luft mit Qualm, Funken und dem Geruch verbrannten Holzes und versengten Fleisches füllend. Ein Licht um das andere erstarb. Dunkelheit legte sich allmählich über den Garten. Die erschreckte, verwirrte, erbitterte Menge drängte den Toren zu. Die Kunde des Geschehenen wanderte von Mund zu Mund, entstellt und vergrößert. Einige sagten, der Cäsar sei ohnmächtig geworden, andere, er selber habe sich als den Brandstifter Roms bekannt, andere, er sei schwer erkrankt, wieder andere, man habe ihn wie tot in seinem Wagen weggeführt. Hier und dort ließen sich Stimmen des Mitleids mit den Christen vernehmen.
    „Wenn sie Rom nicht angezündet haben, warum so viel Blut, so viel Qual und Ungerechtigkeit? Werden die Götter die Schuldlosen nicht rächen? Welche Piacula vermögen sie zu besänftigen?“
    Die Worte „innoxia corpora“ erschallten öfter und öfter. Frauen äußerten ihr Bedauern, daß man so viele Kinder den wilden Tieren vorgeworfen, ans Kreuz genagelt oder in diesen fluchbeladenen Gärten lebendig verbrannt habe. Das Mitleid verwandelte sich schließlich in Flüche auf den Cäsar und Tigellinus. Mehr als einer blieb plötzlich stehen und fragte sich oder andere:
    „Welche Gottheit ist das, die solche Stärke in der Marter und im Tode verleihen

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