R4ge Inside

aufhört.«
    Â»Du glaubst, sie würden sie foltern?«
    Â»Ja. Mit Sicherheit.«
    Aries stellte den Teller auf den Tisch. Sie hatte keinen Hunger mehr. Dann zog sie den Reißverschluss ihres Sweatshirts hoch, setzte die Kapuze auf und schob ihre Haare darunter.
    Â»Gehst du raus?«, fragte er.
    Das Lächeln auf seinem Gesicht gefiel ihr nicht.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    Â»Keine Angst, ich werde dein Geheimnis nicht verraten. Ich werde ihnen sagen, dass du im Keller ein Labor eingerichtet hast und dort Monsterratten oder so was züchtest.«
    Â»Großartig. Vielen Dank auch.«
    Nachts unterwegs zu sein war tatsächlich viel einfacher, als tagsüber durch die Stadt zu streifen. Es gab mehr Schatten, in denen man sich verstecken konnte. Nathan, der für die Abendwache eingeteilt war, trickste sie aus, indem sie sich hintenrum schlich.
    Sie brauchte nicht lange zum Kitsilano Beach. Es war eine schöne Nacht, nicht allzu kalt und trocken. Der Himmel war dunkel, der Mond eine Sichel hinter ein paar Wolken.
    Der Strand war leer. Die Zeiten, in denen Paare Hand in Hand am Wasser entlangliefen, waren vorbei. Keine Zeit mehr für Romantik.
    Aries lief über den Parkplatz. Sie ging langsam und versuchte, nicht auf den Abfall zu treten, der sich überall anhäufte. Es gab eine Menge Papier, vor allem Handzettel und Lokalzeitungen, die der Wind überall verteilte. Hin und wieder sah sie auch eine Lebensmittelverpackung. Aber davon gab es nicht allzu viele. Die Überlebenden hatten Wichtigeres zu tun, als an den Strand zu kommen, um dort ihr Mittagessen zu verzehren. Selbst die Ratten waren verschwunden: Sie waren in die Supermärkte und die vor sich hin gammelnden Obst- und Gemüsestände geflüchtet, wo sie mehr zu fressen fanden. Vielleicht war das einer der Gründe dafür, warum die Hetzer die Leichen nicht in ihren Häusern verwesen ließen, sondern verbrannten.
    Sie setzte sich auf eine Bank in der Nähe des Wassers und wartete. Hier war sie schon in den letzten Nächten gewesen. Sie hatte die Augen zugemacht und gelauscht. Das Meer unterhielt sich mit ihr im Rhythmus der Wellen, die sich am Strand brachen. Für ein paar kurze Momente konnte sie vergessen und sich vorstellen, dass alles wieder so war wie früher. Fast meinte sie über das Rauschen der Brandung hinweg den Lärm der Stadt zu hören – hupende Autos, Leute, die sich unterhielten, ja sogar Rettungswagen und Löschfahrzeuge mit ihren Sirenen. Und jedes Mal, wenn sie die Augen wieder aufmachte, starrte sie ungläubig über die Bucht auf die Skyline.
    Die Lichter der unzähligen Wohnungen, Geschäfte und Bürogebäude waren verschwunden. Die Innenstadt von Vancouver war eine tote Zone. Wie der Rest der Welt.
    Einzig von der Plaza of Nations konnte sie einen schwachen Lichtschein erkennen, wo die Hetzer die Überlebenden zusammentrieben. Vermutlich liefen dort Generatoren. Aber warum? Was machten sie mit den armen Leuten?
    Ein Stück den Strand hinunter stritten sich ein paar Möwen über etwas, das nur Vögel verstehen konnten. Sie glaubte einen streunenden Hund zu erspähen, doch er rannte davon, bevor sie ihn sich näher ansehen konnte. Es hätte auch ein Kojote oder ein Stinktier sein können. In der Dunkelheit war das schwer zu unterscheiden.
    Aries sah ihn über den Parkplatz kommen. Den Kopf gebeugt, das Gesicht im Dunkeln, weil er sich seine Kapuze übergezogen hatte und die Straßenbeleuchtung nicht funktionierte. Vor Angst und gespannter Erwartung krampfte sich ihr Magen zusammen. Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange und ignorierte den Drang wegzulaufen. Es bestand immer die Möglichkeit, dass der Schatten vor ihr nicht die Person war, auf die sie wartete. Vor ein paar Tagen hatte sie weglaufen und sich unter einem Picknicktisch verstecken müssen, während ein paar Hetzer, die sich eine Flasche Whisky teilten, an ihr vorbeigetorkelt waren. Dass die Hetzer nicht mehr gerade gehen konnten, hatte sie gerettet.
    Als die Gestalt näher kam und das Mondlicht auf ihr Gesicht fiel, entspannte sie sich.
    Â»Hallo.« Daniel blieb vor der Bank stehen.
    Â»Du bist tatsächlich gekommen.«
    Sie war immer wieder überrascht, ihn zu sehen, obwohl er bis jetzt jeden Tag aufgetaucht war. Er war zwar wild entschlossen, allen Leuten aus dem Weg zu gehen, aber sie war offensichtlich eine Ausnahme. Aus irgendeinem Grund gab