R4ge Inside
Türen offen. Michael wandte sich schnell ab, als er einen Kindersitz sah, vor dem eine Decke lag und ein violett verfärbter Klumpen, der möglicherweise ein Fuà war. Er fragte sich, ob Clementine es bemerkt hatte, doch sie war damit beschäftigt, den Hinterkopf des Fremden zu mustern.
»Ich heiÃe Raj«, sagte der.
»Ich bin Clementine und das ist Michael.«
Sie erreichten das hintere Ende des Parkplatzes und liefen an der leer stehenden Parkwächterbude vorbei über die StraÃe zum Museum für Anthropologie.
»Dort verstecken wir uns«, sagte Raj.
»Ist das dein Ernst?«, fragte Michael. Das Gebäude vor ihnen war hell und luftig. Es war zwar von Bäumen umgeben, aber von der HauptstraÃe aus deutlich sichtbar und hatte doppelt so viele Glasflächen wie stabile Mauern oder Stahlkonstruktionen. »Hältst du das für sicher? Da ist ganz schön viel Glas. Man kommt leicht rein. Und es ist schwer zu verbarrikadieren. Sollten wir nicht besser nach einem Luftschutzraum oder so etwas Ãhnlichem suchen?«
Raj hob den Kopf und lachte, als hätte Michael gerade etwas ausgesprochen Dummes gesagt. »Das nennt man sich verstecken, ohne sich zu verstecken. Wir sind schon von Anfang an hier. Sie haben sämtliche Wohnheime verwüstet und niedergebrannt und vom Gebäude des Studentenwerks ist nicht mehr viel übrig. Die Sporthalle haben sie Ziegel für Ziegel auseinandergenommen, und was mit der Bibliothek passiert ist, habt ihr ja gesehen. Aber hier waren sie noch nicht.«
»Auf dem Präsentierteller. Genau dort, wo sie es nie erwarten würden«, kommentierte Clementine. »Genial.«
Michael runzelte die Stirn.
»AuÃerdem gibt es eine Menge Ausgänge«, erklärte Raj. »Hinter dem Museum kommt nur noch Wald. Von dort kann man in alle möglichen Richtungen fliehen. Hinunter ans Wasser oder um die Uni rum und nach Vancouver rein. Wir haben ein paar Sachen im Wald versteckt. Lebensmittel und Wasser. Alle möglichen Vorräte. Wir haben sogar Boote. Wenn wir schnell wegmüssen, können wir das nahezu unbemerkt tun.«
»Du sagst immer âºwirâ¹Â«, wunderte sich Michael. »Wie viele seid ihr?«
Raj grinste. »Ungefähr sechzig.«
»HeiÃt einer von euch Heath?«
Raj überlegte. »Ich glaube nicht, doch das hat nicht viel zu bedeuten. Die Gruppe ist ziemlich groÃ. Ich kenne nicht alle Namen. Aber ihr werdet es ja gleich selbst sehen.«
Direkt vor dem Eingang klopfte Raj mehrmals an das Glas. Der Student deutete nach oben und winkte.
»Videoüberwachung«, erklärte er. »Die Kameras sind mit einem Generator verbunden. Es sitzt ständig jemand am Monitor und kontrolliert den Eingang. Wir machen das schon ordentlich.«
SchlieÃlich kam von links jemand auf sie zu. Ein Mädchen mit langen Haaren, die ihr bis zur Taille reichten, schloss die Türen auf. Sie wirkte nicht besonders gut gelaunt. In der rechten Hand hielt sie etwas, das wie eine Elektroschockpistole aussah. Michael war sich nicht ganz sicher; er hatte die Dinger bis jetzt nur in Kinofilmen gesehen.
»Was soll das, Raj?«, sagte das Mädchen. »Wo sind Harvey und Carol? Hast du sie gefunden? Und wer sind die da? Sind sie normal?«
»Sie haben mir das Leben gerettet«, antwortete Raj. »Und mir bei der Flucht geholfen. Ich hatte ein bisschen Ãrger. Mit den Details will ich dich jetzt nicht langweilen. Carol und der Prof sind tot. Die Schlüssel konnte ich nicht finden.«
Das Mädchen seufzte. »Das wirst du Ryder schon selbst sagen müssen. Ich werde nicht der Ãberbringer schlechter Nachrichten sein.«
»Mach ich«, sagte Raj. »Aber nur, damit das klar ist â meine Schuld war das nicht. Ich war nicht der Idiot, der heute Morgen rausgegangen ist, ohne Bescheid zu geben.«
»Nein, aber du bist der Idiot, der ein paar Fremde mitgebracht hat«, gab das Mädchen zurück. »Obwohl du weiÃt, was Ryder in der Beziehung angeordnet hat.«
»Nur die Ruhe«, meinte Raj. »Alles in Ordnung. Die beiden sind normal. Sie suchen nur jemanden. Sie bleiben eine Weile hier, bis die Lage sich wieder entspannt hat.«
Das Mädchen schloss die Glastüren ab und seufzte noch mal laut. »Also gut. Kommt mit. Aber eure Suppe müsst ihr schon selbst auslöffeln.« Sie warf Michael und Clementine einen Blick zu, der ihnen zu verstehen gab,
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