Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raban, der Held

Raban, der Held

Titel: Raban, der Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
Vom Netzwerk:
Okay!,“ beeilte ich mich und setzte mein Telefongespräch fort: „Von mir aus. Rhabarberlein. Macht doch das, was ihr wollt! Hauptsache, ihr kommt vorbei, hört ihr? Ja, alle drei! Ich bin nämlich allein und, verflixte Hühnerkacke! Ich würde nur zu gern mit euch spielen!“
    Der Besuch bei Felix war demnach gestorben. Ich war verzweifelt, und diese Verzweiflung machte mich blind, so blind wie ohne Coca-Cola-Glas-Brille, als ich drei Tage später mit den drei Töchtern der Freundinnen meiner Mutter zum Schlittschuhlaufen aufbrach.
    Die pudelmähnigen Monster hatten pastellfarbene Teddyfellmäntelchen über ihre Rüschenkleider gezogen, und damit ich zu ihnen passte, hatten sie mir nicht nur die Haare toupiert und geföhnt, nein, sie hatten mir auch ein Paar Ohrenwärmer aus rotem Plüsch übergestülpt.
    Der Obsthändler lachte sich tot, als ich an seinem Stand vorbeikam, und in dem Moment hatte ich es endlich begriffen: Raban, den Helden, gab es nicht mehr. Es hatte ihn niemals gegeben. Raban, der Held, war ein gigantischer, billiger Bluff.

Wunschlos unglücklich
    Der letzte Schultag war traurig und still. Die Ferien waren so überflüssig und unwichtig wie ein viereckiger Fußball, und über Weihnachten verlor niemand ein Wort. Egal was für tolle Wünsche wir hatten. Sie waren wertlos geworden. Einen Tag vor Heiligabend waren wir wunschlos unglücklich. Könnt ihr euch das vorstellen? Das ist, als würden die Christbaumkugeln an allen Weihnachtsbäumen der Welt auf einmal zerplatzen. Scheppernder Scherbenhaufen! Da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.
    Nicht nur mir ging es schlecht. Nein! Krokodilstränen-Sintflut! Den andern ging es nicht besser. Jeder zog sich zurück. Jetzt erkannte ich es ganz deutlich. Leon lehnte Fabis Einladung ab, ihn zu besuchen, und Fabi wurde ganz wortkarg und schroff, als ihn Leon im Gegenzug bat, doch zu ihm nach Hause zu kommen.
    Marlon und Rocce begannen sich sogar zu streiten. Jeder warf dem anderen vor, dass er ihm aus dem Weg gehen würde, und die anderen Wilden Kerle fragten einander erst gar nicht mehr.
    Dann sah ich Maxi. Maxi „Tippkick“ Maximilian, den Mann mit dem härtesten Schuss auf der Welt. Doch der arme Kerl kam mir vor, als steckte er in einer Rüstung mit eingerosteten Gelenken. Er, der Mann der Tat, der selbst am Telefon schwieg, wollte den ganzen Tag etwas sagen. Er zappelte hin und her, doch er schaffte es nicht. Da hielt mich nichts mehr zurück. Ich brach das düstere Schweigen.
    „So geht es nicht weiter!“, platzte es aus mir heraus, und die anderen starrten mich an.
    Sie saßen auf ihren Mountainbikes und waren im Begriff, in alle Himmelsrichtungen zu verschwinden. Doch ich stand am einzigen Ausgang des Fahrradunterstandes am Schulhofeingang und versperrte ihnen den Weg.
    „Ja, verflixte Hühnerkacke und Sakra-Rhinozeros-Pups! Wir müssen was unternehmen. Sonst gibt es uns bald nicht mehr!“
    „Ach, ja? Und was?,“ zischte Leon, „Ich denke, du hast schon viel zu viel unternommen.“
    Das saß. Es traf mich mitten ins Herz. Und es traf mich zu Recht. Jojo den Ball wegzunehmen war schon sträflich genug. Doch ihn dann auch noch aus weniger als zwei Metern Entfernung über die Latte zu donnern, das war dümmer als dumm. Das verlangte nach Strafe, das verlangte nach mehr: nach Verbannung auf Lebenszeit! Doch das war mir in diesem Augenblick schnurzpiepe und vollkommen egal.
    „Willi hat es gesagt“, konterte ich. „Und der Geist in meinem Kleiderschrankspiegel! So werden wir den Winter nie überstehen!“

    Jetzt war es still. Selbst Joschka, Julis jüngerer Bruder, der erst sechs Jahre alt war, zog seine Stirn in Falten wie ein einhunderteinundfünfzigjähriger Greis.
    „Willi und wer?“, fragte er.
    „Mein Spiegelbild!“, erklärte ich und war überzeugt, es handelte sich dabei um die normalste Sache der Welt. „Das ist so wie bei Felix. Der unterhält sich doch auch mit einem Revolverhelden.“
    „Ja, aber der Revolverheld ist seine Mutter!“, kommentierte Marlon pupstrocken.
    „Ja, und! Was ist der Unterschied? Das Spiegelbild, das bin ich. Oder nein, es ist ja mein Geist! Wisst ihr, ich hatte meinen Spiderman-Schlafanzug an, aber der Geist im Spiegel, der ...“
    „Spiderman-Schlafanzug?“, fragte Vanessa ungläubig. „Du trägst wirklich einen Spiderman-Schlafanzug?“
    „Ja!“, grinste ich stolz, denn ich hielt ihren Spott für Interesse. „Sogar den original echten! Den aus Amerika! Aber mein Spiegelbild

Weitere Kostenlose Bücher