Raban, der Held
blieb die Schüssel mit einem dumpfen Ruck stecken, und ich fiel kopfüber in den Matsch. Ja, genau so würde es sein. Hottentottenalptraum!
„Was ist? Worauf wartest du noch!“, holte mich meine Mutter aus meinen Gedanken in die Diele der Rosenkavaliersgasse zurück. „Ich mach das nicht gerne, hörst du?! Aber dieser Willi hat angerufen, und er hat mich eine halbe Stunde lang angefleht und bekniet. So wichtig war es für ihn, dass du kommst.“
Für einen Moment war ich baff. Dann flutschte das Lächeln ein zweites Mal aus meinen Augen heraus und kitzelte mich am Mund.
„Warum hast du das nicht sofort gesagt!“, rief ich genervt und begeistert zugleich. Doch das war eine Frage, auf die ich keine Antwort verlangte. Ich lief in mein Zimmer, schulterte meine Plastikrodelschüssel wie einen Wikingerschild, und im nächsten Augenblick schlug ich die Haustür schon hinter mir zu, riss mein Fahrrad von der Wand, sprang mitten im Lauf in den Sattel und raste durch die Toreinfahrt auf den Gehweg hinaus.
,Allmächtiger Fettnäpfchenflaschengeist!’, schoss es mir im selben Moment durch den Kopf und floss eiskalt die Wirbelsäule hinab. Allmächtiger Fettnäpfchenflaschengeist!
Ich hatte den Obsthändler vergessen! Meine Panik war so groß, dass mein Gehirn mit Lichtgeschwindigkeit arbeitete. Wie in Zeitlupe schoss ich auf den Gehweg hinaus und schaute mich nach allen Seiten gleichzeitig um. Gleich, in einer Nanosekunde, würde es krachen und scheppern und dann würde ich in einer Obstkiste landen. Kawumm und Karamba!
Nein, das wollte ich nicht! Ich trat in die Bremsen. Der Traktorhinterradreifen blockierte.
Ich flog über den Lenker und landete auf dem Po. Atemlos saß ich da und schaute mich um. Doch die Straße war leer. Obststand, Obsthändler und Lieferwagen hatten sich in Luft aufgelöst, als hätte es sie niemals gegeben. Sie waren heute nicht da!
„Dreifach geölte Eulenkacke!“, zischte ich meinen Freudenfluch zum Himmel empor. „So viel Glück gibt es doch gar nicht!“
Dann sprang ich auf, packte mein Fahrrad, merkte gar nicht, dass der Lenker schräg stand, und fuhr glücklich und mit Linksdrall zum Teufelstopf , dem Hexenkessel aller Hexenkessel, um dort ein Geheimnis zu erfahren, das keiner von euch glauben wird. Dafür leg ich beide Beine ins Feuer.
Glühwein-Glühwürmchennacht
Je weiter ich den Hügel hinauffuhr, desto matschiger wurde der Weg. Ohne meinen Traktorhinterradreifen hätte ich es gar nicht geschafft. Er wühlte und fraß sich den Hang hinauf, und gleich würde ich die Kuppe erreichen. Gleich war ich da. Gleich würden mich meine Freunde, die anderen Wilden Kerle, empfangen, und wir würden zusammen Weihnachten feiern! Mit einer wilden Weihnachts-Rodelparty!
Mit diesem Gedanken sprang ich über den Kamm des Hügels hinweg, bremste cool ab und kam quer zum Feldweg zum Stehen. Raah! Unter mir lag der Teufelstopf : verlassen und still, und genauso verlassen und still war es um mich herum.
Kein Wilder Kerl war gekommen und vor mir am Hang lag kein Fleckchen Schnee. Sie hatten mich reingelegt! Selbst Willi hatte bei ihrem bösen Streich mitgespielt und mit meiner Mutter telefoniert. Ja, und ich war so dämlich gewesen und hatte es ihm noch geglaubt. Rodeln gehen, bei diesem Tauwetter? Ich hatte es einfach nicht besser verdient. Ich kämpfte mit den Tränen. Ich war halt so, wie ich war. Ich konnte mich beim besten Willen nicht ändern, und ich wäre heute selbst dann noch gekommen, ich hätte ihnen selbst dann noch alles geglaubt, wenn sie mir weisgemacht hätten, ich würde zum Fußballspieler des Jahrtausends gewählt. Verflixte Hühnerkacke! Ich war so allein, und es gab niemanden, den ich mehr als meine Freunde vermisste, mehr als die Wilden Kerle , die beste Fußballmannschaft der Welt.
„Und ich hab gedacht, es kommt überhaupt keiner mehr“, sagte eine Stimme in meinem Rücken.
Ich wirbelte herum und sah Willi.
„Wo sind die anderen?“, fuhr ich ihn an und rechnete fest damit, sie kämen im nächsten Augenblick lachend und johlend aus ihren Verstecken hervor. Doch die Hügelkuppe war absolut kahl. Hier oben konnte man sich nirgends verstecken.
„Ich dachte, das wüsstest du besser als ich“, antwortete Willi. Er saß in seinem Nadelstreifenanzug auf seinem Schlitten mitten im Schlamm und sah mich absolut aufrichtig an. Ich runzelte meine Stirn. Ich wollte Willi nicht glauben. Er war ein Erwachsener, und als Erwachsener ist man nicht so dämlich wie ich.
„Sag
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