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Raban, der Held

Raban, der Held

Titel: Raban, der Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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nicht, dass du rodeln wolltest!“, knurrte ich ihn an wie ein Babywolf, der zum ersten Mal sein Spiegelbild sieht. „Ich kann mich selbst auf den Arm nehmen. Dazu brauch ich dich nicht!“
    „Nun. Ähm. Ja, also, das Rodeln können wir, glaub ich, vergessen!“, stammelte er. „Aber was hältst du von einem kräftigen Schluck Glühwein? Ich könnte einen gebrauchen.“

    Er zwinkerte mir verschmitzt zu.
    „Willi!“, rief ich entsetzt. „Ich bin neun Jahre alt und ich bin ein Wilder Kerl . Das ist fast soviel wie ein Fußballprofi. Da bedeutet Alkohol Gift.“
    „Oh! Ja, sorry. Das tut mir leid!“, entschuldigte sich Willi bei mir. „Und was hältst du von einem Wilde Kerle -Punsch, geprüft und getestet von der FIFA und dem DFB?“
    Das Lächeln war bereits aus den Augen heraus und kitzelte mich am Mund, dass ich lachte. Willi lachte zurück. Dann stand er auf, und zusammen gingen wir den Hügel hinab auf den Teufelstopf zu. Ich schob mein 12-Zoll-Mountainbike mit dem Traktorhinterradreifen und trug meine Plastikrodelschüssel wie einen Wikingerschild auf dem Rücken. Willi ging im Nadelstreifenanzug unterm Anorak neben mir her, und sein rot-weiß-geringelter Schal zottelte über seiner Schulter. Wir waren ein komisches Paar, und trotzdem war ich absolut stolz. Willi hatte mich eingeladen. Zu sich nach Hause! In den Wohnwagen hinter dem Kiosk. Das hatte er noch mit keinem anderen der Wilden Kerle gemacht, und ich wusste diese Ehre zu schätzen.
    Der Wohnwagen war von innen viel größer, als sich von außen vermuten ließ. Und er glitzerte und funkelte wie eine Schatzkammer. Überall an den Wänden waren Regale befestigt, und die waren mit hunderten von Medaillen und Pokalen gefüllt.
    „Verflixte Hühnerkacke!“, raunte ich beeindruckt. „Hast du die alle gewonnen?“
    „Ja. Das heißt, bis auf einen!“, antwortete Willi und stellte zwei Thermoskannen vor mir auf den Tisch. Eine für sich und eine für mich. „Aber das ist schon ewig lang her.“
    Dann schenkte er ein und stieß mit mir an.
    „Alles ist gut!“, sagte er.
    „Solange du wild bist!“, gab ich zurück.
    Dann nahm ich einen kräftigen Schluck. Der Wilde Kerle -Punsch schmeckte fantastisch und tat von den Zehen- bis in die Haarspitzen gut. Ich streckte und dehnte mich und schaute mich neugierig um.
    „Bis auf welchen?“, fragte ich. „Welchen der Pokale hast du nicht gewonnen? Und warum ist er hier?“
    Doch Willi hörte mich nicht. Er schaute mich einfach nur an.
    „Warum bist du hier?“, wollte er wissen. „Und warum nicht alle andern?“
    „Ich weiß nicht“, beantwortete ich die zweite der Fragen. „Sie haben mir nichts gesagt. Sie reden nicht mehr mit mir.“ Willi schwieg, doch als ich ihn ansah, nickte er leicht. Das machte mir Mut.
    „Sie haben mich ausgelacht!“, erklärte ich und nahm noch einen kräftigeren Schluck.
    Willi tat es mir gleich.
    „Warum?“, hakte er nach, und ich musste lachen.
    „Nein. Das sag ich nicht. Das kann und will ich nicht sagen!“
    Ich lachte, doch meine Augen waren todernst. Ich schämte mich, und ich hatte Angst, dass auch Willi mich auslachen würde, wenn ich ihm alles erzählte. Doch der machte mir noch einmal Mut.
    „Ich wette, es war ein sehr großer Fehler, dass sie dich ausgelacht haben“, sagte er absolut überzeugt. „Ja, und ich wette noch weiter. Ich wette, dass sie, wenn sie nur halb so viel Mumm hätten wie du, alle hier bei uns säßen.“
    Ich schaute ihn überrascht an. Das Lächeln kam dieses Mal aus meinem Bauch, doch ich würgte es wieder hinunter.
    „Nein. Ich hab keinen Mumm“, wehrte ich mich energisch. „Ich bin ein Angeber. Ich hab den ultimativen Torschuss vergeigt und die Herbstmeisterschaft ganz alleine verloren. Ich trag einen Spiderman-Schlafanzug und ich hab ihnen erzählt, dass mein Spiegelbild ein Geist ist, der einen Nadelstreifenanzug anhat. Genauso wie du.“
    So, jetzt war es raus. Willi schob seine rote Baseballmütze in den Nacken zurück und kratzte sich an der Stirn. Dann schüttelte er seinen Kopf, und dann musste er lachen.
    „Nein. Das gibt es doch nicht. Ist das wirklich dein Ernst?“
    Ich schluckte und mein Puls begann ohrenbetäubend zu pochen. Gleich würde ich aufspringen, hinauslaufen, und dann würde mich niemand mehr in die Nähe des Teufelstopfes oder eines Fußballs bringen. Ja, dafür legte ich nicht nur meine beiden Beine ins Feuer, sondern auch noch mein Herz.
    „Weißt du?“, amüsierte sich Willi immer noch weiter.

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