Raban, der Held
„Ich kann es nicht glauben. Ich kann es einfach nicht glauben, aber mir geht es ganz oft genauso wie dir. Mit einer Ausnahme allerdings. Wenn ich mit meinem Spiegelgeist rede, trägt der keinen Nadelstreifenanzug. Er trägt einen Spiderman-Schlafanzug, und er ist die Pest.“
Ich saß da und vergaß fast zu atmen. So verdattert war ich.
„Dampfender Honigkuchenpferdeapfel! Da hast du Recht. Er ist die Pest!“, zischte ich atemlos.
„Ja!“, bestätigte Willi. „Er hält nie seinen Mund!“
„Und er sagt immer nur das, was man auf keinen Fall hören will!“, rief ich entrüstet.
„Ganz genau!“, eiferte Willi, „Und er hat verflixt nochmal Recht!“
Er grinste mich verschmitzt an.
„Oder findest du nicht?“
Ich rutschte nervös auf der Bank hin und her und wollte seine Frage energisch verneinen. Ich wollte den Kopf schütteln. Ich wollte ihm sagen, dass er mich in Ruhe lassen soll! Doch stattdessen senkte ich meinen Kopf, nickte und sagte ganz leise: „Er hat gesagt, dass ich kein Wilder Kerl bin. Und dass es meine Schuld ist, wenn es die Wilden Kerle bald nicht mehr gibt.“
Ich nahm all meinen Mut zusammen und schaute Willi direkt in die Augen.
„Willi! Ich will nicht, dass der Spiegelgeist Recht haben kann. Ich will, dass er sich verflixt noch mal irrt!“
Willi nickte.
„Das glaub ich dir gern. Doch dann musst du es ihm auch beweisen.“
„Aber wie denn?“, wehrte ich mich. „Die anderen lachen mich aus. Und sie haben Recht. Was Fußball betrifft, bin ich eine Null!“
Willi schaute mich entsetzt an. Er brauchte eine Ewigkeit, um diesen Satz zu verdauen.
„Bist du da sicher?“, fragte er und wollte die Antwort nicht hören.
„Nein, bitte nicht! Sag jetzt nichts“, stöhnte er, doch er konnte mein Nicken nicht mehr verhindern.
Ich war mir absolut sicher. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich es schon die ganze Zeit gewusst. Seit dem Spiel gegen die Unbesiegbaren Sieger . Was Fußball betraf, war ich eine Null.
Willi setzte die Mütze ab und strich sich, um sich selber zu trösten, über das Haar. Dann nahm er einen kräftigen Schluck, überlegte, leerte die Tasse dann ganz und trank noch zwei weitere aus.
„Oh, Mann! Das ist hart“, seufzte er. „Verflixt und zugenäht! Wenn das so ist, hast du nur eine einzige Chance. Eine einzige klitzekleine.“
Ich hielt mich an der Tischkante fest, als ging es um Leben und Tod. Und meine Augen klebten an Willis Lippen. Pechschwefliges Rübenkraut! Ich würde jede Chance nutzen, die er mir gab.
Willi musterte mich skeptisch.
„Die Chance, von der ich spreche, ist so groß, als würde ein ausgewachsener Elefant versuchen, auf einem Seidenfaden über den Grand Canyon zu balancieren. Traust du dir so etwas tatsächlich zu?“
Ich schluckte. Das war unmöglich. Der Elefant schaffte das nie! Doch ich hatte keine andere Wahl. Ich musste es einfach versuchen. Deshalb biss ich mir auf die Lippen und nickte. Beim knisternden Höllenschlund! Ich war verrückt!
Doch Willi nickte zufrieden.
„Gut. Ich wusste, ich hab mich in dir nicht geirrt.“
Willi drehte sich um, nahm einen uralten Lederball vom Regal und legte ihn zwischen uns auf den Tisch.
„Hier. Schau dir das an. Das ist die Trophäe, die ich nicht gewonnen hab. Sie wurde mir nur geschenkt. Oder besser gesagt: Sie wurde mir anvertraut.“
Willi sah meinen zweifelnden Blick. Was hatte dieser olle Fußball zwischen all den glänzenden Pokalen verloren?
„Ich weiß“, räumte er ein, „er sieht nach nichts aus. Doch für mich ist er das Wertvollste, was ich besitze.“
Willi rutschte aufgeregt hin und her.
„Bitte, hör mir jetzt ganz genau zu. Lass mich dir alles erzählen. Dann kannst du tun, was du willst. Dann kannst du aufstehen und gehen und alles wieder vergessen. Oder du kannst es versuchen. Du kannst der Elefant sein, der auf einem Seidenfaden über den Grand Canyon tanzt. Ist das okay?“
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Ein uralter Fußball, ein Seidenfaden und ein Elefant, der über den Grand Canyon wollte. Verflixte Hühnerkacke! Was hatte ein Elefant am Grand Canyon verloren?
Doch für Willi war das alles absolut logisch. Er beugte sich vor und begann so leise zu sprechen, als würde er mir das größte Geheimnis verraten, das es auf der Fußballwelt gab.
„Raban. Ich war genauso wie du. Ich war nur ein bisschen älter. Ich glaub, ich war sechzehn damals. Aber das spielt keine Rolle. Das war eine andere Zeit. Auf
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