Rabenblut drängt (German Edition)
beschäftigt, ein paar E-Mails zu schreiben, und ich hatte etwa die Hälfte meines Kleiderschranks auf mein Bett geworfen und verzweifelt darin gewühlt. Wer hätte denn ahnen können, dass ich hier in der Einöde ein ›kleines Schwarzes‹ benötigen würde?
Frustriert warf ich das nächste Bündel in einem hohen Bogen auf den Boden. Timo starrte mich stirnrunzelnd über den Rand des Laptop-Deckels an.
»Findest du nicht, dass du ein bisschen viel Tamtam machst? Du gehst ja nicht auf deine eigene Hochzeit oder so.«
»Davon verstehst du nichts!«, zischte ich. Sein Kopf verschwand wieder hinter dem Laptop. Es war sinnlos weiter zu suchen, denn für eine Veranstaltung dieser Art war ich einfach nicht eingerichtet. Oh Himmel, Lara!
Ich schrie ihren Namen nicht zum ersten Mal tonlos in die Luft, aber dieses Mal musste sie meine Verzweiflung gespürt haben, denn es klopfte an der Tür.
»Gott sei Dank kommst du endlich«, heulte ich auf. »Ich brauche Hilfe.«
Ihre Ohrringe klimperten. »Oje, das sieht schwer nach einem Notfall aus.«
Ich saß wie ein Häufchen Elend in Baumwollunterwäsche auf meiner Bettkante und schniefte.
»Ich brauche ganz dringend solche Dings , so piekfeine Schuhe mit hohem Absatz, wie nennt sich das noch?«
»Stöckelschuhe vielleicht?«
»Ja, genau.«
»Mmh«, machte Lara. »Das dürfte aber nicht dein einziges Problem sein.«
»Ach nein?« Ich schaute panisch an mir herunter. »Du hast recht, ich brauche auch eine Strumpfhose.«
»Du brauchst vor allem erst einmal vernünftige Unterwäsche!«, sagte sie leicht angewidert.
»Wieso? Was stimmt denn nicht mit meiner Unterwäsche?«
»Sie sieht so - so bequem aus.«
»Aber das sieht doch kein Mensch.«
Sie zog ihre Augenbrauen hoch. »Du kannst doch nicht solche Unterwäsche unter einem netten Fummel anziehen. Das geht doch nicht. Da fehlt doch das ganze Feeling. Das würde ich dir sofort bei jedem Schritt ansehen.«
»Im Ernst?«
Sie starrte mich an, als vermutete sie hinter meinen Augäpfeln ein Alien.
»Gib mir fünf Minuten«, sagte sie knapp und verschwand. Timo kicherte hinter dem Bildschirm. Ich hoffte für ihn, dass es da etwas Lustiges zu lesen gab.
»Willst du dich nicht auch langsam umziehen?«, fragte ich vorwurfsvoll. Keine Reaktion.
Ich raufte mir die Haare und fühlte mich besser dadurch. Dann fiel mir ein, dass ich sie ja auch irgendwie wieder glatt bekommen musste, und fühlte mich wieder schlechter. Als Lara nach einer Ewigkeit zurückkam, war ich völlig aufgelöst.
Sie hatte sich einen übervoll beladenen Wäschekorb unter den Arm geklemmt, schubste mich ins Bad und warf mir etwas Durchsichtiges zu. Ich wusste zuerst nicht, wo bei diesen Teilen oben und unten war, aber nach ein paar Minuten hatte ich jedenfalls etwas an. Ob das so seine Richtigkeit hatte? Außerdem war es mir viel zu eng.
»Der BH ist zu eng«, brüllte ich durch die Tür.
»Das muss so sein. Ich kauf die immer extra eine Nummer kleiner. Da kommt alles viel besser zur Geltung.«
Tatsächlich?
Die Strumpfhose jedenfalls schaffte ich ohne Probleme und hüpfte wieder in mein Zimmer.
»Und jetzt?«, fragte ich Lara und hoffte dabei inständig sie würde einfach einen Zauberstab herausziehen, oder noch besser ›drei Haselnüsse für Aschenbrödel‹ dabei haben. Das war aber leider nicht der Fall.
»Ich habe es mir überlegt«, kündigte sie an.
»Was denn?«
»Es gibt nur ein einziges Teil, das wirklich zu dir passen würde.«
»Nur ein Einziges?«
Sie zog etwas Grünes aus ihrem Korb.
»Hast du nichts Dezenteres? Vielleicht in Schwarz oder Dunkelblau oder so?«
»Nein.«
»Einfach so nein?«
»Ja.«
»Wie jetzt?«
»Hör endlich auf und zieh es an! Es passt genau zu deinen Augen. Du hast da so grüne Kringel um die Iris.«
Das war natürlich ein Argument. Ich schlüpfte in das Abendkleid und hatte das Gefühl, als streifte mich ein kühler Windhauch.
»Oh Gott, das fühlt sich an, als ginge man nackt auf die Straße.«
Lara nickte lebhaft. »Himmlisch, nicht wahr?«
»Nein, überhaupt nicht. Eher teuflisch - mir wird nämlich ganz heiß dabei. Außerdem ist der Ausschnitt viel zu tief. Kann ich da eine Strickjacke drüberziehen?«
»Bevor du jetzt noch weitere blöde Fragen stellst, will ich dich nur an eines erinnern: Du hoffst Alexej wiederzusehen, okay?«
Hatte verstanden - der Ausschnitt war ganz prima. Geradezu perfekt.
»Die Schuhe könnten allerdings ein Problem werden. Ich habe kleinere Füße als du.«
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