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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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Glas.
    Eine wohlige Wärme durchströmte meinen Hals bis hinunter in meine Eingeweide. Auf meiner Zunge lag ein tauber Film.
    »Du musst doch noch fahren!«, entfuhr es mir plötzlich und ich entwand Timo sein Glas.
    Ich hatte es bereits bis zur Hälfte gelehrt, als Lara es mir abnahm.
    »Hör auf, du kannst dich doch hier nicht betrinken. Du sollst daran nippen und ab und zu ein dezentes Lachen und › Bussi Bussi ‹ von dir geben. Stell dir vor, du musst aufstoßen, nur weil du zu viel von dem Zeug getrunken hast? So was passiert nämlich immer dann, wenn gerade eine künstlerische Pause angesagt ist.«  
    »Sprichst du aus Erfahrung?«
    »Was denkst du denn? Aber das erzähle ich dir ein andermal!«
    Ich kicherte albern. Oje - anscheinend stiegen die Blubberbläschen schneller zu Kopf als erwartet.
    Das Foyer wurde immer voller, und um uns herum schwoll das Gerede zu einem sinnlosen Summen an, nur unterbrochen von der ein oder anderen aufdringlichen Lachsalve.
    »Ich muss nochmal aufs Klo«, verkündete ich viel zu laut.
    »Jetzt noch? Ich glaube, wir dürfen gleich rein. Dann mach aber schnell!«, scheuchte mich Timo davon.
    Ich stöckelte durch das Foyer und suchte nach einem mir bekannten Zeichen in Türhöhe. Meine Zehen schmerzten und ich überlegte ernsthaft, einfach barfuß weiterzugehen. Aber das konnte ich Lara nicht antun, schließlich hatte sie sich so viel Mühe mit meinem Outfit gegeben. Also stolperte ich mehr schlecht als recht vorwärts. Von wegen kleines Grünes! Das Kleid war so lang, das ich den Saum immer mit einer Hand hochhalten musste, um nicht drauf zu treten. Endlich entdeckte ich die Damentoilette. Natürlich hatte sich eine Schlange davor gebildet. Einen kurzen Moment liebäugelte ich mit dem Herrenklo, verwarf den Gedanken aber gleich wieder.  
    Reiß dich zusammen, Isa!
    Bis ich an der Reihe war, wurde bereits der zweite Gong geschlagen. Jetzt aber flott. Ich hüpfte auf die Toilette und eroberte ein Waschbecken. Und als ich dachte, dass niemand hinsah, hielt ich beide Arme unter das fließende Wasser und goss auch einen Schwall davon über meinen nackten Hals. Dieser Parfümgeruch würde mich sonst wahnsinnig machen.
    Mist, kein Papier! Hier gab es nur diese blöden Föhnapparate! Ich hängte mich also darunter und versuchte meinen Hals zu trocknen, als ich plötzlich ein abfälliges Lachen hörte.
    Neben mir stand eine dunkelblonde Frau, die mich weit überragte, und das nicht nur, weil ich gerade eine peinliche Hockstellung eingenommen hatte. Sie trug ein tiefdekolletiertes, blutrotes Kleid und zwischen ihren Brüsten klemmte ein schwerer Klunker. Sie musterte mich von oben herab und mir schoss das Blut ins Gesicht.
    Ich kroch unter dem Föhn hervor. Irgendjemand hielt mir eine Klopapierrolle hin.
    »Danke!«, sagte ich erleichtert zu einer grimmig aussehenden alten Dame mit Adlernase. Warum wuchsen Nasen eigentlich im Alter immer so ungehemmt? Ich lächelte sie an und die Blondine sagte irgendwas zu ihrer ebenso aufgetakelten Freundin. Beide lachten.
    Keine Frage, dass sie über mich lachten. Ich rollte einen Schwung Papier ab und trocknete mich ab, ohne weiter auf die beiden zu achten. Wenigstens roch das Parfum jetzt nicht mehr so stark. Als ich mich durch die Tür quetschen wollte, sprach mich die Superblondine an.
    »Ist nichts für Bauerntrampel«, sagte sie mit starkem Akzent. Das  › ch ‹ klang so hart, wie über eine Kartoffelreibe abgezogen.
    So eine blöde Zicke! , dachte ich, ließ sie aber kampflos vorbeiziehen. Es war ja nicht so, als gäbe es keine Sitzplätze mehr. Ich hechtete durch den Flur zurück, wo Timo und Lara schon aufgeregt winkten.  
    Ein Platzanweiser deutete uns die Treppe hinauf. Die Sitzplätze auf dem Balkon waren toll, wir würden sicher einen guten Blick auf die Künstler haben. Die Bühne wurde von mehreren Kronleuchtern erhellt. Über der riesigen Orgel hing eine Fahne der Tschechischen Republik.
    Ein großer Flügel stand ganz vorne am Rand der Bühne und dahinter waren die Stühle des Orchesters in für mich nicht erkennbarer Reihenfolge aufgestellt. Es wurde laut geraschelt und gerückt und immer wieder hörte man jemanden Husten. Als käme man plötzlich auf die Idee sich schnell noch einmal auszuhusten, egal ob man musste oder nicht, quasi auf Vorrat.
    Dann traten unter lautem Applaus die Orchestermitglieder ein. Ich beugte mich über die Brüstung, weil ich sehen wollte, ob ich von hier oben Nikolaus erkennen konnte. Gar nicht so

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