Rabenblut drängt (German Edition)
Sie hielt mir ein paar schwarze Riemchensandalen hin.
»Wir haben Winter!«, entfuhr es mir entsetzt.
Sie formte nur stumm das Wort ›Alexej‹ mit ihren Lippen, und ich quälte mich in die engen Dinger. Beinahe sofort wurde meine Blutzirkulation abgeschnürt.
»Perfekt«, presste ich mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor.
»Das ist die richtige Einstellung!«, lobte Lara.
Timo genoss es, uns durch die Gegend zu fahren. Lara und ich hatten sein neues Auto ausgiebig bewundert, und deshalb war er glänzender Laune. Marek war so dankbar gewesen, dass Timo ihn von der dritten Karte erlöst hatte, dass er Lara ein Bündel Scheine in die Handtasche gestopft hatte, mit der Bemerkung, wir sollten uns einen richtig tollen Abend machen. Timo brauchte nur eine Viertelstunde, um sich umzuziehen und sah trotzdem toll aus. Ich fand das mehr als ungerecht. Vor allem, da er auch noch schicke Sachen in seiner Reisetasche dabei hatte.
»Wusste ja nicht, ob ihr mich in die Kirche schleifen würdet.«
Lara und ich schauten uns schuldbewusst an. Daran hatten wir gar nicht gedacht. Überhaupt hatte in den letzten Wochen kein festliches Gefühl aufkommen wollen.
Lara trug die neuen Ohrringe, die ich ihr geschenkt hatte - zumindest hatte ich sie bezahlt. Hatte ich schon erwähnt, dass ich Shopping hasste? Dafür trug ich die Kette, die sie mir gestern feierlich überreicht hatte. Sie bestand aus schwarzfunkelnden Steinen und baumelte mir fast bis zum Bauchnabel. Das Schönste daran war, dass man sie schnell über den Kopf ziehen konnte, sollte sie einem lästig werden, aber das sagte ich Lara natürlich nicht.
Abgesehen davon war Lara sowieso schon erschöpft wegen des Kampfes, den wir ausgefochten hatten. Ich hatte zwar verloren, aber Lara hatte ebenso viele Federn lassen müssen. Mein Gesicht war jetzt perfekt geschminkt, meine Lippen rot angepinselt und jeder unbedeckte Teil meines Körpers in Parfüm gebadet. Ich fühlte mich wie eine Fremde im eigenen Körper und von dem Duft wurde mir beim Autofahren schlecht.
Wir fuhren über die Mánesův-Brücke in Richtung Altstadt. Von dort aus hatte man einen wunderschönen Ausblick auf das Rudolfinum, dem riesigen Konzertgebäude im Stil der Neo-Renaissance.
Natürlich waren alle Parkplätze neben dem Gebäude besetzt, deshalb kurvten wir eine Zeitlang herum. Ich war so aufgeregt, dass ich kaum etwas von meiner Umgebung wahrnahm. Das Einzige, was ich genauestens in mich aufnahm, waren die Gesichter der Menschen, die draußen über den dunklen Platz liefen oder unter dem Laternenschein eine letzte Zigarette rauchten: Ich suchte Alexejs Gesicht unter ihnen.
Langsam wurde mir bewusst, wie ungerechtfertigt meine Hoffnungen waren. Sie begründeten sich auf den vagen Verdacht, dass Nikolaus seinen Freund ebenfalls eingeladen hatte. Und was, wenn er gar nicht mehr in Kontakt zu ihm stand? Schließlich hatte er ihn auch vorher schon acht Jahre nicht gesehen.
Lara stupste mich an, und ich kreischte erschrocken auf.
»Meine Güte bist du schreckhaft heute!«
Meine Zähne klapperten.
»Weiber«, sagte Timo mit Blick auf meine hochhackigen Sandalen.
»Du solltest deiner Schwester lieber mal sagen, wie toll sie aussieht!«, empfahl ihm Lara.
Panik breitete sich auf Timos Gesicht aus. »Wer? Ich? Äh ja ... du siehst echt ganz gut aus. Toll meine ich, irgendwie cool«, brachte er mühsam hervor.
Ich winkte ab. »La-lass gut sein, Timo.« Meine Zähne klapperten noch lauter.
»Gehen wir rein, dann können wir uns im Foyer bei einem Gläschen Sekt aufwärmen.«
Das Letzte, wonach mir jetzt der Sinn stand, war ein Gläschen Sekt, aber ich wollte mal nicht so sein.
Wir schoben uns durch den säulengeschmückten Eingang. Es waren massig Leute da und ich war froh festzustellen, dass Lara mit ihrem Dresscode nicht ganz so falsch gelegen hatte. Timo gab unsere Mäntel an der Garderobe ab und warf mir seinen Autoschlüssel zu. »Kannst du den einstecken, dann beult sich meine Hosentasche nicht so aus.«
Ich stopfte den Schlüssel in das winzige Handtäschchen, das Lara mir aufgeschwatzt hatte, und in das eigentlich nicht viel mehr als eine Packung ›Tic Tac‹ hineinpasste. Timo kaufte an der Theke drei Gläser Sekt.
»Ich mag gar keinen Sekt«, erklärte ich Lara und schüttete den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter.
»Mann, weißt du, was der gekostet hat?«, fragte mich Timo vorwurfsvoll. »Da hättest du den ja wenigstens mal genießen können!« Er nippte dezent an seinem
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