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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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Alexej.
    »Wer ist er?«
    Alexej schluckte hart. »Das ist Jaroslaw. Er ist - Pavels Bruder.«
    Pavels Bruder?
    Aber Pavel war doch ein Rabe! Ich selbst hatte ihn doch begraben!
    »Aber, wenn du Pavels Bruder bist -«  
    Ich hörte wieder dieses unangenehme Kreischen. Nathalie stand direkt hinter mir und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf mich.
    »Diese Frau hat mich geschlagen! Jeder hier kann das bezeugen. Ich will, dass sofort jemand die Polizei ruft.«
    Aufgebracht fuhr ich zu ihr herum. »Meine Güte, können Sie nicht mal fünf Minuten die Klappe halten? Ich versuche nachzudenken.«
    Jaro kicherte, und das erinnerte mich so stark daran, wie ›Jaru, der Rabe‹, mich jedes Mal ankeckerte, dass ich tief Luft holen musste.
    »Bitte Isabeau - lass uns nach draußen gehen«, beschwor Alexej.
    Erinnerungen befielen mich: Alexej hilflos und verletzt auf dem Boden kauernd, mit dem toten Pavel im Arm. Alexej im Wald, den Hirschen untersuchend und seine Hände, die über das blutige Fleisch streichelten. Alexej, wie er an seinen Händen roch. Die rohen Steaks, die Kellerasseln. Und dann fiel mir der Rabe in seinem Zimmer ein. Ein großer, schwarzer Kolkrabe - so groß und imposant, wie der Rabe, der Jaru attackiert hatte. Oh Himmel - er hatte genauso ausgesehen, wie der Rabe, der mich berührt hatte und dann plötzlich davongeflogen war!
    Und wie heiß Alexej oft gewesen war. Als wäre seine normale Körpertemperatur die eines Vogels. Er hatte mich verlassen, indem er einfach in den Wald gelaufen war - nackt und ohne irgendetwas. Er hatte keine Spuren hinterlassen, als hätte er sich in Luft aufgelöst, als wäre er einfach so davongeflogen.
    Und was hatte Nathalie eben gefragt? Treibst du es gerne mit Tieren?
    Die Gedanken, die mich plötzlich überfielen, waren so abstrakt, so irreal, so völlig absurd und phantastisch, dass mich eiskalte Gänsehaut überlief.
    Ich sah Alexej an und öffnete den Mund.
    »Und du?«, hauchte ich verzweifelt. »Wer bist du?« Er regte sich nicht. Er sah aus, als erwartete er nicht mehr, dass er noch etwas sagen müsste. Es gab nur ein einziges Wort, das den Ausdruck in seinen Augen beschreiben konnte: hoffnungslos.
    Plötzlich und unwiderruflich traf mich die Erkenntnis mit solcher Wucht, dass ich zurücktaumelte.
    »Du bist einer von ihnen!« In diesem Moment schien meine ganze Welt über mir zusammenzustürzen.
    »Das gibt es doch gar nicht«, keuchte ich. »Nein - das gibt es doch gar nicht!« Und dann ließ ich ihn stehen, stieß gegen die Eingangstür und lief die breiten Stufen nach unten.
    Sakra! Diese blöden Schuhe! Ich quetschte mich krampfhaft in die engen Dinger rein und wäre dabei noch fast gestürzt. Das gab es nicht! Ich war hier im falschen Film. Menschen konnten sich doch nicht in Tiere verwandeln!
    Das Ganze kam mir vor wie ein einziger Alptraum.
    Aber halt! Das war kein Alptraum! Wollte ich mich denn so verhalten wie in einem Melodram? Wollte ich wirklich deswegen fortlaufen? Was hatte ich mir denn gedacht? Bis vor einem Tag hatte ich noch befürchtet, Alexej niemals wiederzusehen. Und bis vor einer halben Stunde war ich mir fast sicher, dass er nichts für mich empfinden würde. Er war doch der kultivierte, gutaussehende Pianist und ich nur der Bauerntrampel.
    Was hatte er zu mir gesagt?
    Mein Name ist nicht das Problem?
    Und jetzt? Ich schüttelte heftig den Kopf.
    Er war ein Rabe. Ein Rabe! Aber nicht nur das. Vor allem aber war er der sinnlichste Charakter, den ich je kennen gelernt hatte. Er war immer souverän und beherrscht, er vergaß niemals seine gute Erziehung. Selbst eben, als diese blöde Nathalie ihn bis aufs Blut gereizt hatte, war er ihr nicht anders als anständig begegnet. Er würde sich niemals so aufführen, wie sie es eben getan hatte.
    Oder wie ich. Oh Gott - ich hatte sie geschlagen! Jetzt schämte ich mich, dass ich mich so wenig unter Kontrolle gehabt hatte. Aber sie hatte es nun wirklich verdient! Wie konnte sie nur so schreckliche Dinge zu ihm sagen und ihn so demütigen?
    Alexej hatte wirklich ein gutes Herz. Er war zu jedem freundlich und höflich, er zeigte Anteilnahme. Er hatte Mitgefühl, etwas, das vielen Menschen völlig abging. Und er war gütig. Ich durfte mich doch jetzt nicht so albern verhalten und alles aufs Spiel setzen, nur weil ein kleines Detail nicht meinen Erwartungen entsprach.
    Ein kleines Detail? Ich hatte wirklich eine Meise!
    Ich trat von einem Bein auf das andere. War das kalt! Und ich hatte nicht einmal

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