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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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Verstanden?«
    Einige Leute drehten sich nach uns um. Ich ließ sie los und senkte die Stimme.
    »Du bist es nicht wert, dass man dir auch nur eine Minute zuhört. Halt deinen Mund, Nathalie, und beweise wenigstens einen Funken Anstand.«
    »Anstand?« Sie lachte kehlig. »Du willst mir etwas über Anstand erzählen? Aus welchem Loch bist du überhaupt herausgekrochen? Und wo ist deine ganze Brut, die dich immer begleitet? Bist du etwa ganz alleine hier, ohne Schwarm?«
    »Lass uns gehen!«, sagte ich zu Isabeau und wollte sie mit mir fortziehen.
    »Weiß sie es überhaupt?«, keifte Nathalie los. »Hast du es ihr gebeichtet? Oder wacht sie morgens auf und fragt sich, wo die Frühstückseier herkommen?« Sie lachte so laut, dass ich sie am liebsten geschlagen hätte.
    Was hatte ich getan, dass sie mich so sehr hasste? War es meine bloße Existenz, die sie reizte? Weil ich es gewagt hatte, mich in sie zu verlieben, als ich noch nicht wusste, was aus mir werden würde?
    »Und putzt sie dir auch das Gefieder und sucht deine Läuse heraus? Vögel haben doch Läuse, oder? Sie müssen doch massenweise Parasiten anziehen, mit ihrem Gestank! Was ist, Bauerntrampel, hast du dich noch nie gewundert, warum dein neuer Freund so gerne im Wald ist und sich von Müll ernährt? Warum er so tierische Laute von sich gibt, wenn er es mit dir treibt? Weißt du etwa gar nicht, was für eine Missgeburt er ist?«
    Meine Erziehung verbot es mir eine Frau zu schlagen, und deshalb schloss ich die Augen, weil ich nur noch rot sah. Aber das galt anscheinend nicht für Isabeau, denn sie erwachte neben mir aus ihrer Starre und holte aus.
    Es gab ein knacksendes Geräusch, als sie Nathalie mit voller Wucht ins Gesicht traf. Jetzt half es auch nicht mehr, die Stimme zu senken. Alle Augenpaare flogen in unsere Richtung.
    Nathalie war rückwärts gegen einen anderen Gast gestürzt und hielt sich erschrocken die Hand vor das Gesicht.
    Und dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Meine Großmutter bahnte sich einen Weg durch die Menge und sagte nur ein Wort.
    »Aki!«, rief sie.
    Isabeaus Lippen bewegten sich stumm, als überlegte sie, woher sie dieses Wort kannte.
    Und, mein Gott, ich wusste, woher sie es kannte!
    In diesem Moment öffnete sich die Eingangstür und Jaro kam mit Arwed herein. Beide waren rabenschwarz gekleidet, so wie wir alle uns am wohlsten fühlten.
    Nathalie kreischte inzwischen und schrie nach der Polizei.
    »Aki!«, rief jetzt auch Jaro und Isabeaus Kopf flog zu ihm herum. Und er hatte nichts Besseres zu tun, als sie anzulachen.
    »Isabeau«, rief er freudig aus. Seine blauen Augen strahlten förmlich. Er war so überrascht sie zu sehen, dass er völlig vergessen hatte, dass er sie gar nicht hätte kennen dürfen.
    Isabeau machte einen Schritt auf ihn zu und er legte den Kopf schief. Es war genau dieselbe Haltung, die er als Rabe immer einnahm, wenn er nachdachte. Ich hielt mir die Hand vor Augen. Das durfte jetzt einfach nicht wahr sein!, dachte ich. Isabeau erstarrte neben mir.
    »Ich kenne dich«, flüsterte sie.

 Erkenntniswucht
     
     
     
    I ch kenne dich«, flüsterte ich.
    Oh Himmel - dieses Wort! Wo hatte ich dieses Wort nur schon gehört? Aki, Aki, wiederholte ich stumm und versuchte verzweifelt den Moment einzufangen, der durch meine Erinnerung schwebte wie eine leichte Feder. Aber jedes Mal, wenn ich sie beinahe zu fassen bekam, wehte ein Windstoß sie weiter fort.
    Ich sah den großen Jungen vor mir und starrte nur seine blauen Augen an. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen, aber es war mir, als hätten mich allein diese Augen schon hundertmal angeschaut. Und er kannte mich! Er hatte meinen Namen gesagt! Woher wusste er nur, wie ich heiße?
    Dann legte er den Kopf schief. In diesem Augenblick zog sich mir der Boden unter den Füßen weg.
    »Ich kenne dich. Du siehst genauso aus wie -« Mir drehte sich der Kopf und ich schwankte. Ich konnte doch unmöglich sagen, dass er mich an einen Vogel erinnerte, oder? Ich schaute von Alexej zu ihm und wieder zurück. Alexej fasste sich mit der Hand über die Augen, als hätte er starke Kopfschmerzen. Und dann brach es einfach so aus mir heraus.
    »Jaru!«
    Er grinste. »Eigentlich Jaro, aber ich kriege das mit den Vokalen noch nicht so richtig hin.«
    Alexej stöhnte.
    Jaro zwinkerte mir zu. »Mann, das ist echt toll, dass ich dich mal kennenlerne. So richtig.«
    »Aber wer bist du?« Meine Stimme nahm einen schrillen Ton an. Ich warf einen hilfesuchenden Blick zu

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