Rabenblut drängt (German Edition)
anzukämpfen, leider ohne Erfolg.«
»Heißt das, du kannst es nicht beeinflussen? Es geschieht einfach mit dir?«
»Nicht direkt. Damals, in der ersten Zeit, hatte ich kaum Einfluss darauf, aber nach einer Weile habe ich gelernt, es zu beherrschen, und je älter ich wurde, umso stabiler wurde mein Zustand.«
»Und jetzt kannst du es tun, wann immer du willst?« Ich wurde rot und war froh, dass Alexej es bei diesem diffusen Licht nicht sehen konnte.
»Bis auf wenige Ausnahmen. Es gibt Momente, in denen ich mich nicht so gut unter Kontrolle habe. Einen davon hast du selbst erlebt, als wir mit der Schulklasse im Wald waren.«
»Du hast mir später aus der Hand gefressen.«
»Wie hätte ich auch anders reagieren können.« Er lächelte.
»Und was war dann mit Nikolaus’ Schwester?«
»Ich wollte es ihr zuerst verheimlichen, aber ich habe schnell gemerkt, dass man so etwas nicht verheimlichen kann - auf Dauer. Also habe ich ihr davon erzählt, und als sie mir nicht glauben wollte, habe ich den Beweis eben persönlich erbracht.«
»Und sie war genauso schockiert wie ihr Bruder?«
»Mehr als das. Sie war völlig außer sich. Sie hat getobt, ich würde ihr Leben damit zerstören, ihre Karriere. Ich dürfte sie nie wieder anrühren. Sie war so angewidert - du hast sie ja selbst erlebt. Das eben war nur eine kleine Kostprobe aus ihrem Repertoire.«
»Sie hat dich also verlassen.«
»Sie hat mich verlassen und dafür gesorgt, dass ich auch wirklich kein Bedürfnis verspüren würde, ihr jemals wieder näher zu treten. Bis zu meinen Prüfungen waren es nur noch wenige Wochen. Ich habe die Konzertreife abgelegt und dann alle Brücken abgebrochen.«
»Aber Nikolaus und du - eure Freundschaft hat es nicht berührt?«
»Nein, und dafür bin ich wirklich sehr dankbar.«
»Heißt das, du hast all die Jahre danach nur als Rabe gelebt?« Ich war sehr bestürzt über diese Vorstellung.
»Bis zu dem Tag, an dem Pavel starb und ihr, Marek und du, mich gefunden habt.«
Pavel! Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht.
»Dann war Pavel also auch ein Mensch?«
»Pavel war ein sehr guter Freund. Er war erst ein Jahr bei unserem Schwarm, aber wir haben viel Zeit miteinander verbracht -«, er stockte. »Er war erst sechzehn.«
»Und ich habe ihn einfach so eingebuddelt! Wenn ich das alles nur geahnt hätte! Aber wie ist das passiert? Wieso ist er gestorben?«
»Er wurde von einem Hund angegriffen. Der Biss hat ihm das Genick gebrochen und Pavel war sofort tot. Das war der Grund, warum ich bei euch blieb«, gestand er. »Ich wartete auf Hilfe und musste selbst wieder gesund werden, um zu meinem Schwarm zurückkehren zu können. Dann kam Nikolaus und wir brachten Pavel nach Hause.«
Sie hatten ihn ausgegraben! Das musste in der Nacht gewesen sein, als Alexej verschwand. Das war also der Grund für seine Qual, deshalb war er so aufgelöst gewesen.
»Wenn ich das nur gewusst hätte.«
Er beugte sich zu mir rüber und legte mir seine warmen Finger auf die Lippen.
»Nein, Isabeau. Sag niemals wenn !«
Mir lag noch eine weitere Frage auf der Zunge. »Was ist mit deinem Schwarm? Sind sie etwa alle so wie du und Pavel?«
»Wir sind ein besonderer Schwarm.« Er lächelte.
»Aber was hat das für einen Hintergrund? Gibt es sonst irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen euch?«
»Du weißt genau, welche Fragen du stellen musst, ja? Es ist tatsächlich so, dass die familiäre Provenienz, die Herkunft, bei uns allen gleich ist. Wir alle haben Namen, die in der Republik nicht gerade unbekannt sind. Und nicht nur hier. Drei von uns sind aus Ungarn, zwei aus Österreich und einer aus Polen. Und wir alle tragen dasselbe Blut in uns.«
»Ich verstehe«, sagte ich langsam. »Haben etwa alle den Raben in ihrem Wappen?«
»Nicht alle.« Er holte tief Luft. »Da gibt es noch etwas, das ich dir beichten muss.«
Oh Himmel, was kam denn jetzt noch?
»Es hat mit dem Unfall zu tun, bei dem Pavel getötet wurde. Genauer gesagt können wir ausschließen, dass es ein Unfall gewesen ist.«
»Was willst du damit sagen?«
»Es hat zu viele Unfälle gegeben. Mein Vater war der Erste, der bei einem fingierten Unfall starb. Auch Milos und Rabans Väter starben auf ähnliche Weise. Als Letztes Arweds Vater, und er war erst achtundvierzig.«
»Das ist ja furchtbar! Willst du damit sagen, dass eure Väter ebenfalls ... Raben waren?«
Er nickte. »Und ich will damit sagen, dass es jemand darauf abgesehen hat, uns zu töten. Nicht offensichtlich,
Weitere Kostenlose Bücher