Rabenblut drängt (German Edition)
enttäuscht auf, dass ich ihr den Gefallen tat und nachhakte.
»Ach ja?«
»Er hat deine nassen Jeans geradezu mit Blicken verschlungen! Ich wette eins zu fünfhundert, dass er sich vorgestellt hat, wie er sie dir am Schnellsten von der Haut pellen könnte.«
»Lara!« Ich war ehrlich schockiert. »So ist er nicht!«
»Nein, ist er nicht so?«
Ich musste lachen. »Du bist ein Luder! Glaub mir, Alexej interessiert sich nicht für ... er ist irgendwie nicht ganz normal.« So hatte ich das eigentlich nicht sagen wollen.
»Was meinst du damit?«
»Ich weiß auch nicht. Ich habe einfach das Gefühl, dass er etwas zu verbergen hat, dass er irgendetwas im Schilde führt. Ich glaube ihm nicht, dass er sich an den Unfall nicht erinnern kann. Ich glaube vielmehr, dass er sich hier versteckt oder so.«
»Na und?«
»Findest du das normal?«
»Was heißt denn schon normal bei einem Mann? Er sieht verboten gut aus, oder nicht?«
»Er isst rohes Fleisch!«, sprudelte es aus mir heraus.
»Na hoffentlich!« Sie giggelte und rollte sich über mein Bett.
Es war zum Verzweifeln.
»Er ist immer so heiß«, versuchte ich es weiter.
Lara grinste breit.
»So habe ich das nicht gemeint, verdammt!« Ich suchte nach Worten. »Er ... er hat ständig Fieber. Lach nicht! Wenn ich vierzig Grad Fieber hätte, läge ich wie ein sterbender Schwan im Bett. Und er? Er spürt davon überhaupt nichts!«
»So sind wir Tschechen eben - heißblütig.«
»Ha ha!« Ich drehte mich frustriert von ihr weg. Es war völlig sinnlos mit ihr zu diskutieren. Also konnte ich es auch gleich hinter mich bringen. »Was ist in der Tüte?«
»Schau doch mal nach, Herzchen!«
Mit spitzen Fingern griff ich nach der Plastiktüte und lugte vorsichtig hinein.
»Keine Klapperschlangen und auch keine Skorpione«, gab sie Entwarnung.
Das hieß noch gar nichts. Lara war in dieser Stimmung einfach alles zuzutrauen. Aber mein erster Blick auf ihren Einkauf ließ mich erleichtert aufatmen. Jede Menge Stoff - das war doch mal ein gutes Zeichen. Ich zupfte ein grünschimmerndes Oberteil aus der Tüte, eine Art Tunika, die am Ausschnitt geschnürt wurde. So weit so gut. Den darauffolgenden Rock allerdings warf ich Lara um die Ohren. Niemals könnte sie mich dazu bewegen so ein Mädchenteil anzuziehen, ebenso wenig wie diese schwarzen Netzstrümpfe. Allenfalls wären die dazu geeignet, Lara zu erwürgen, was ich ihr auch sofort mitteilte.
»Ziehst du es heute Abend an?«, fragte sie völlig unbeeindruckt.
»Wieso ausgerechnet heute Abend?«
»Marek und ich haben uns überlegt, dass wir zur Feier des Tages ein oder zwei Fläschchen Wein köpfen könnten.«
»Habe ich was verpasst. Was wird denn gefeiert?«
»Es ist Freitag - also Wochenende«, erklärte sie.
»Na gut, aber ich weiß wirklich nicht, was du dir davon versprichst.« Kopfschüttelnd kramte ich in meinem Kleiderschrank nach einer ordentlichen schwarzen Hose und hielt sie Lara vor die Nase.
Sie nickte gnädig. »Und du bist wirklich nicht verknallt?«
»Lara!«
»Das war keine Antwort auf meine Frage.«
»Sie verdient auch keine!«
Lara seufzte. »Weißt du, ich muss gerade an meinen kleinen Neffen denken. Hast du schon mal gesehen, dass ein kleiner Junge einem jungen Hund über den Weg läuft und es passiert gar nichts? Einfach nichts?«
»Nein, das gibt es nicht. Dafür sind beide viel zu verspielt.«
»Eben!«, bestätigte Lara triumphierend. »Und das ist es, was ich meine! Denn du bist der kleine Junge.«
»Und wer soll der junge Hund sein?«
»Also diese Frage verdient nun auch keine Antwort!«, sagte sie.
Rabenkind
A uf meiner Zunge blühten die Geschmacksknospen, und die leichte Säure des Weins brannte noch nach. Es war schwer gewesen, Marek in seiner alkoholseligen Laune zu bremsen. Das Letzte was ich wollte war ein Rausch. Ein Rausch, der tröstete, labte und mich später leiden lassen würde. Denn er hätte mich auch noch den Säufern mit dem guten Gedächtnis ausgeliefert. Aber ebenso wenig wollte ich mich absondern, denn wer nur Wasser trank, ließ vermuten, etwas verbergen zu wollen.
Marek hingegen hatte sich als echter Europäer erwiesen. Wenn die Tschechen das Bier tranken, die Franzosen den Wein und die Russen den Wodka, dann hatte er deutlich gezeigt, dass er überall dazugehörte. Ich konnte mir ein Lachen kaum verbeißen. Was hatte er mit Janosch gesungen! Die beiden kannten so viele Trinklieder wie andere Leute Kirchenlieder und stimmten beinahe nach
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