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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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jedem Schluck ein neues an. Janosch, eigentlich Jan, war einer der beiden Schreiner aus dem Dorf, die die Fallen bauten und allerhand Reparaturen durchführten. Ein rotgesichtiger Mann mit hornhautüberwucherten Händen, die das Glas so kräftig umschlossen hielten, dass man fürchten musste, er würde es zerbrechen. Janosch verstand es, tschechische Witze zu reißen, die Lara unter den Tisch werfen konnten. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum sich Isabeau so früh verabschiedet hatte: weil sie die Sprache nicht verstand. Jedenfalls hatte sie nach einem letzten › na zdraví ‹ ihre Bierflasche geleert, und war aufgestanden.  
    »Junge Hunde sollten früh schlafen gehen«, hatte sie noch gesagt und Lara zugezwinkert. Lara war darüber sichtlich enttäuscht gewesen - ich war es nicht.
    Ich fühlte mich durch Isabeaus Anwesenheit beobachtet. Ihren Augen schien keine Regung zu entgehen. Und immer, wenn ich ihre Blicke erwiderte, senkte sie die Lider, und ihre Wimpern warfen dabei Schatten wie Farnblätter.
    Sie misstraute mir, und es war gefährlich für mich, in ihrer Gesellschaft zu sein. Schon einmal war ich nah daran gewesen mich vor ihren Augen zu entblößen, meine Gestalt zu wandeln, weil meine Instinkte mich zu überwältigen drohten. Und obwohl sie es mit keinem Wort erwähnt hatte, war ich mir sicher, dass sie mein seltsames Benehmen sehr wohl registriert hatte.
    Je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr trieb mich die Aufgabe, endlich Pavels Körper zu befreien und nach Hause zu bringen. Lara hatte mir von den Raben erzählt, die sie und Isabeau regelrecht verfolgt zu haben schienen. Sie hatte mir erklärt, wo sie deren Schlafplatz vermutete, und weil ich heute keine Möglichkeit gefunden hatte, diesen Hinweis unauffällig zu verfolgen, wollte ich diese Nacht nutzen.
    Ich war froh über die Kühle, die meine Gedanken klärte, und suchte in sicherer Entfernung Deckung, bevor ich mich auszog und meine Kleidung auf einem Ast ablegte. Die Wunde an meinem Arm machte mir keine Schwierigkeiten mehr. Die Nähte waren weder gerötet, noch nässten sie. Anscheinend hatte Isabeaus Quark geholfen.
    In Gedanken nannte ich sie nur noch Isabeau, nie wieder Isa, seitdem sie mir diese Geschichte erzählt hatte. Ihr Name hatte einen zarten melancholischen Klang, der in meinem Gehör vibrierte wie die sehnsuchtsvollen Töne der Vocalise von Rachmaninov.
    Isabeau erinnerte mich daran, dass Gott einen bizarren Humor haben musste, oder zumindest einen tschechischen.
    Ich bewegte meinen linken Arm, ballte die Hand zu einer Faust, spreizte die Finger wieder und drehte das Gelenk nach allen Seiten. Es war immer noch ein Risiko zu fliegen, und ich durfte meinen Arm nicht überstrapazieren.
    Ich konzentrierte meine Gedanken um einen winzigen Punkt in mir: Der Teil, der mein Vogelblut durch meinen Kreislauf pulste. Nur langsam fing er an zu pochen, gewann an Kraft und dehnte schließlich mit starkem Druck die Gefäße aus; verdrängte alles andere, bis ich das vertraute Flattern unter meinen Lidern spürte. Ein Zittern durchfuhr meinen Körper. Diesmal rannte ich nicht, sondern verharrte auf der Stelle und gab mich ganz der Woge hin, die jede meiner Zellen überrollte. Meine Glieder zogen sich zusammen, die Muskeln verkrampften sich wellenartig und ordneten sich neu. Dieses quälende Gefühl raubte mir den Atem, verengte meine Brust und ließ mich einen brennenden Schrei ausstoßen.
    Der Schmerz war in Sekunden vorbei. Ich flatterte überwältigt auf der Stelle und hielt inne, um mein Gefieder zu ordnen. Dann streckte ich meinen linken Flügel, spreizte die Schwungfedern und machte einige Probeschläge. Es fühlte sich gut an, geradezu herrlich. Ich öffnete meinen Schnabel und ließ ein keckerndes Geräusch ertönen - meine Art zu lachen.
    » Krri, krri !«, rief ich euphorisch aus und schwang mich in die Luft. Ich genoss den Luftwiderstand an den Spitzen meiner Federn und ließ ich mich von den warmen, aufsteigenden Massen emporheben.  
    Leider spürte ich viel zu schnell, wie die Kraft in meinem linken Flügel nachließ. Ich landete auf einer Tanne, reckte meinen Hals und krächzte laut. Danach flog ich eine andere Krone an, nur wenige Meter weiter und wiederholte mein Rufen. Wieder erhielt ich keine Antwort. Der Zweig unter mir wippte. » Kraa, kraa, kraa! «  
    Ein sehr zartes › Kroak ‹ antwortete mir. Mein Herz hüpfte vor Aufregung und erhöhte seine Schlagkraft. Ich lauschte, aber es war zu leise um die Stimme

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