Rabenblut drängt (German Edition)
»Nun - ja, eigentlich schon. Auch«, fügte sie schnell hinzu. »Es ist ein Liebesfilm. Isabeau ist die Geliebte eines Ritters namens Navarre. Und der Bösewicht der Geschichte ist ein Bischof, der Isabeau heimlich begehrt. Die beiden Liebenden werden von ihm verflucht.«
»Erzähl weiter!«
»Ist halt ein Fantasy-Film. Jedenfalls verwandelt sich der Ritter daraufhin jede Nacht in einen reißenden Wolf. Isabeau und er können nie wieder zusammen sein, weil sie sich tagsüber, wenn er menschlich ist, in einen Falken verwandelt.«
Vor Überraschung verschluckte ich mich und fing an zu husten. Hatte sie mir gerade erzählt, ihre Namensvetterin verwandelte sich jeden Tag in einen Falken? Verwandelte sich? In einen Vogel? Ich hatte das Gefühl, einen kräftigen Schlag in die Magengrube erhalten zu haben. Welche Ironie! Ich hätte also eine Figur aus einem Fantasy-Film sein können. Und sie schämte sich auch noch dafür, nach so einem Halbwesen benannt zu sein.
»Eigentlich ist es sehr traurig«, sinnierte sie. »Wären sie beide Tiere, wäre das etwas anderes. Ein Wolf und ein Falke könnten ein Leben zusammen verbringen, aber selbst das gönnte ihnen der Bischof nicht. Wie könnte ein Mensch schon einen Vogel lieben?« Sie schüttelte abwehrend den Kopf. »Ein grausames Schicksal, aber am Ende gab es doch ein Happy End.«
Wir hatten die Fahrräder erreicht.
»Was für ein Happy End?«, fragte ich.
»Der Fluch wird gebrochen, und sie können als Menschen weiterleben. Und wenn sie nicht gestorben sind -« Sie schwang sich auf das Fahrrad und radelte los. Ich hatte Mühe ihr zu folgen, weil meine Gedanken wild umherstoben.
Ein gebrochener Fluch.
Wenn es nur so einfach wäre.
Herzflattern
E s hatte den ganzen Nachmittag geregnet, und ich war patschnass, als ich von meinem Rundgang zurückkam. Mein Parka hatte sich mit Wasser vollgesogen und wog gefühlte fünfundzwanzig Kilo, und meine Jeans klebten mir steif an den Beinen. Ich riss mir die Baseballkappe vom Kopf und hängte sie vor der Tür an einen Nagel.
Aus Mareks und Laras Büro ertönte Gelächter. Wie schön, dass sich hier alle amüsierten, während ich, auf der Suche nach dem Drop-off-Halsband eines Rothirschs, die letzten zwei Stunden durch den Wald marschiert war. Irgendwie kam ich mit der Yagi-Antenne und dem Empfänger nicht wirklich gut zurecht. Marek fand die Halsbänder meist nach wenigen Minuten.
Allerdings hatte ich diese Zeit alleine im Wald sehr genossen. Mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf, die ich für mich ordnen wollte.
Der Morgen mit Alexej war wirklich interessant gewesen. Interessant, aber nicht aufschlussreich, denn ich hatte nicht halb so viel erfahren, wie ich es mir erhofft hatte. Dennoch hatte sich mein Eindruck bestätigt, dass er etwas zu verbergen hatte. Er hatte also wirklich diesem Raben einen Namen gegeben.
Pavel.
Nun - das allein war vielleicht noch nicht ungewöhnlich, schließlich gab man seinen Haustieren auch Namen. Aber man bezeichnete sie nicht als Freund, wenn man nicht gerade im Grundschulalter war. Die Vorstellung eines einsamen Mannes im Wald, der mit den Tieren sprach und mit ihnen in Freundschaft lebte, hatte etwas Mystisches, wenn nicht sogar Religiöses an sich. Und doch war es jenseits aller Romantik.
Ich horchte auf Alexejs Stimme, die durch die Tür drang. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, weil er Tschechisch sprach. Manche dieser Töne klangen in meinen Ohren fälschlicherweise aggressiv und laut. Lara lachte oft darüber. Sie meinte, Tschechisch wäre weich und wohlklingend und Deutsch würde sich dagegen anhören wie Keuchhusten. Jedenfalls schien sich Alexej gut mit den beiden zu verstehen.
Ich stieß die Tür auf. Alexej hatte sich neben Mareks Schreibtisch aufgebaut. Er trug eine glänzend schwarze Hose und ein ebenso schwarzes Hemd. Lara beseitigte gerade einige imaginäre Staubkörnchen von seinen Schultern.
Marek stöhnte. »Meine Frau war einkaufen«, begründete er diese Aufmachung und verdrehte die Augen. Das erklärte natürlich fast alles. Allerdings nicht, warum ich plötzlich ein seltsam stechendes Gefühl in mir spürte. Meine Laune verschlechterte sich schlagartig.
»Müssen wir auf eine Beerdigung?«, fragte ich.
Alexej hob entschuldigend die Schultern.
»Ich bin hier nur das Opfer.«
Na sicher! Ich legte das Drop-off-Halsband ziemlich grob auf dem Schreibtisch ab. »Hier, du kannst den Chip entfernen, um die Daten abzulesen.«
»Du warst
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