Rabenblut drängt (German Edition)
hoffnungslos. Alle beide!« Dann hob sie fragend die Augenbrauen an. »Guten Appetit?«
Ich überlegte kurz. » Dobrou ... Dobrou chut’ ?«
»Gut. Und, wenn Michala dich fragen sollte, wie es dir schmeckt -«
»Breche ich mir die Zunge ab, nur um sie zu erfreuen. Versprochen!«
»Du sagst, es schmeckt hervorragend: je vynikající !«
»Genau das werde ich sagen!« Ich nickte bestätigend.
»Dann sag es mal.«
»Nicht jetzt. Ich spüre gerade, wie meine Zunge anschwillt, weil ich wirklich furchtbaren Durst habe, und dann kann ich so ein Wort einfach nicht bewältigen.«
»Feigling! Ihr Deutschen habt immer Angst etwas falsch zu machen.«
»Das ist es!«, gab ich freimütig zu. »Was gibt es denn überhaupt? Nicht dass ich wahnsinnig hungrig wäre, aber dann kann ich mich schon mal seelisch darauf einstellen.«
»Spaghetti sind neuerdings abgeschrieben! Svíčková und böhmische Knödel. Ich glaube Michala kocht nur noch für Alexej. Wahrscheinlich sieht sie ihren neuen Lebenssinn darin, ihn zu mästen.«
Die beiden standen wirklich auf vertrautem Fuß. Nicht dass ich etwas dagegen hätte - sie könnte schließlich seine Großmutter sein. Und selbst wenn sie noch jung wäre, ginge mich das überhaupt nichts an. Und doch zwickte es mich ein wenig, als ich sah, wie Michala Alexej zum Essen begrüßte.
Sie goss einen Wortschwall über ihn aus und lachte mädchenhaft. Und er fand nichts dabei, die Topfdeckel in ihrem Heiligtum anzuheben, um zu gucken, was sie gekocht hatte.
Lara zwinkerte. »Das würde ich mich niemals trauen«, flüsterte sie mir zu.
Alexej hatte einen verklärten Gesichtsausdruck, als er die Knödel entdeckte, und gab der Köchin einen dicken Kuss auf die Wange, der sie doch tatsächlich zum Erröten brachte. Der Berg Knödel, den er dann in riesigen Scheiben geschnitten auf seinem Teller zum Tisch trug, gab ein unmissverständliches Zeugnis darüber ab, wer in der Gunst der Köchin ganz oben stand.
Es war überhaupt komisch mit Alexej zu essen, schließlich war meine letzte kulinarische Begegnung mit ihm nicht besonders appetitanregend gewesen. Er hatte immerhin ekelige Kellerasseln gegessen und war danach einfach weggelaufen. Fast schien es mir, als hätte es ihn ebenso schockiert wie mich, als hätte er es unbewusst getan, ohne darüber nachzudenken. Das war schwer vorstellbar, denn ich war noch nie der Versuchung ausgesetzt gewesen, irgendwelche Käfer oder Würmer zu essen, da könnte ich noch so hungrig sein. Erst recht nicht aus Versehen!
An Alexejs Verhalten konnte man jetzt aber keine Verlegenheit erkennen, denn er saß ganz entspannt zwischen Marek und Filip, einem vielleicht zwanzigjährigen Schlosser mit krausem, dunkelblondem Haar und hängenden Schultern, der seine Portion grob in sich reinschaufelte.
Alexej warf einen Seitenblick auf ihn und hatte eine Augenbraue angehoben. » Dobrou chut’ !«
Täuschte ich mich, oder war sein Ton eine Spur missbilligend? Jedenfalls hielt Filip kurz inne, legte die Gabel ab und kratzte sich verlegen das Kinn. Konnte es sein, das Alexej besonderen Wert auf Tischmanieren legte? Das hieß, wenn er nicht gerade ein rohes Steak direkt aus dem Kühlschrank vertilgen wollte? Ich grinste innerlich, tunkte ein Stück Knödel in die dunkle Soße und schob mir das Ganze in den Mund.
Sakra! , schimpfte ich lautlos, denn die Soße tropfte herunter und hinterließ eine unübersehbare Spur auf meinem T-Shirt. Lara kicherte. Wenn ich nicht befürchten müsste, dass sie laut aufkreischte, hätte ich versucht sie zu treten. So aber musste ich mich damit begnügen ihr einen finsteren Blick zuzuwerfen und sank tiefer in meinen Stuhl.
Alexej aß langsam und unterhielt sich dabei angeregt mit Janosch. Worüber, konnte ich nicht verstehen. Hatte ihm niemand beigebracht, wie unhöflich es war, ausschließlich Tschechisch zu sprechen, wenn Ausländer anwesend waren?
Ich sollte mich lieber mit Lara unterhalten, und ihn nicht ständig so anstarren. Fieberhaft suchte ich nach einem Thema. Lara könnte ja auch was dazu beitragen, aber sie schien es zu genießen, einfach nur dazusitzen und uns zu beobachten.
Alexej lachte gerade über etwas, das Janosch erzählt hatte, und regte Marek an, sich an dem Gespräch zu beteiligen. Er besaß die erstaunliche Gabe, andere gekonnt mit einzubeziehen. Er schien sich nicht nur zu unterhalten, nein, er betrieb Konversation. Er langweilte nicht, war entspannt und hörte höflich zu. Auch wenn ich ihn nicht
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