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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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konzentrieren sollte. Aber seine Lippen waren so voll. So schön. Irgendwie kräftig. Sicher küssten sie nicht besonders sanft, überlegte ich und bekam eine trockene Kehle.
    »Hörst du mir eigentlich zu?«
    Ich räusperte mich. Er hatte recht, ich sollte wirklich zuhören. Wie sich seine Haare wohl anfühlten? Gerade jetzt fiel ihm eine schwarze Strähne in die Stirn und ließ ihn blinzeln. Vielleicht sollte ich sie wegstreichen? Sicher störte sie ihn. Langsam kam meine Hand unter der Tischplatte hervor.
    »Das ist die Gelegenheit. Jetzt darfst du.«
    Ich schob meine Hand in Zeitlupentempo über den Tisch. Leider war mein Teller im Weg und ich fasste in den Rest Soße, der sich wie ein dunkler Tümpel an den Knödel anschmiegte. Sakra! Aber die Nässe an meiner Hand brachte mein Bewusstsein wieder an die Oberfläche.  
    »Was darf ich?« Meine Stimme klang heiser.
    »Mich ausfragen. Das habe ich doch gerade gesagt.« Er wirkte ungehalten. Ich trocknete meine Hand mit einer Serviette ab und seufzte.
    »Es tut mir leid. Ich weiß gar nicht was ich dich fragen soll.«
    »Ach nein? Du erstaunst mich.«
    Ich lächelte verlegen. »Okay. Kannst du dich erinnern? An den Unfall?«
    »Ja.«
    Mal sehen, wie viele Fragen er mir durchgehen lässt.
    »Wie alt bist du?«
    »Wie alt ich bin?« Er lachte. »Das ist es, was du wissen möchtest?« Seine Zähne waren ebenso kräftig wie seine Lippen. Jetzt war ich mir sicher, dass sie rohes Fleisch kauen konnten. Er senkte die Lider und überlegte.
    »Willst du mir jetzt sagen, dass du das nicht weißt?« Ich war ehrlich schockiert.
    »Doch, natürlich weiß ich das!« Aber er schien immer noch nachzudenken. »Achtundzwanzig«, kam es etwas verspätet.
    »Wann bist du geboren?« Ich hoffte, dass er mir diesen kleinen Test nicht übel nahm.
    »Am 15. Oktober. Was soll das?«
    Jetzt lächelte ich. »Du bist kein Zeitreisender, der nackt im Wald eines fremden Planeten ausgesetzt wurde?«
    »Das ist richtig.«
    »Und auch kein Psychopath, der unschuldigen Pilzsammlern auflauert?«
    »Auch nicht.«
    »Gut. Das ist alles, was ich wissen möchte.«
    »Was?« Er war ehrlich entgeistert. Ich grinste genüsslich in mich hinein. »Du brauchst gar nicht so schockiert zu gucken. Das war es. Du bist erlöst!«
    Eindringlich suchte er in meinem Gesicht nach einer bestimmten Mimik, die er deuten könnte. »Du versuchst, mich zu manipulieren.«
    »Wie bitte?«
    »Dass ich nicht gleich darauf gekommen bin! Dein mangelndes Interesse lockt mir Geständnisse heraus. Du musst mich wirklich entschuldigen, normalerweise bin ich nicht so schwer von Begriff.«
    »Aber das stimmt doch gar nicht!«
    »Ach nein?«
    »Moment! Du hast mir doch selber angeboten, dass ich dir Fragen stellen kann, oder nicht?«
    Er sah richtig böse aus und plötzlich, als hätte er einen Schalter umgelegt, lachte er leise.
    Er griff nach meiner linken Hand und hielt sie fest. Seine Finger fühlten sich so heiß an, dass ich besorgt seine Augen kontrollierte. Waren sie glasig? Sahen seine Lippen nicht fiebrig aus? Er beugte sich noch weiter vor, und ich hielt den Atem an. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, aber mir war, als hätte er mich hypnotisiert, als müsste ich auf ein Zeichen warten, dass mich wieder freigäbe.
    »Als du mir gestern gefolgt bist, hast du mich da gesehen? Ich meine draußen, als ich wiederkam?«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass ich nur den Raben aus deinem Zimmer befreit habe. Ehrlich. Und danach habe ich mit Marek eine neue Route für heute Morgen besprochen. Ich habe dich nicht gesehen. Und weshalb fragst du überhaupt danach?«
    »Gut.« Er wirkte erleichtert. »Es ist eigentlich gar nicht wichtig. Bitte vergiss, dass ich gefragt habe.«
    Jetzt hatte er mich wirklich neugierig gemacht. »Was habe ich verpasst?«
    »Gar nichts.« Er zog meine Hand zu sich und warf mir ein beinahe verschmitztes Lächeln zu. Und dann küsste er meine Fingerspitzen.
    Wenn das ein Ablenkungsmanöver sein sollte, dann war es ausgesprochen wirkungsvoll! Ich zog meine Hand zurück. Mein Herz raste. Alles an Alexej kam mir berechnend vor. Gerade jetzt sah er sehr verwegen aus, wie er sich die Haarsträhne aus dem Gesicht strich und dabei seine Lider nur halb geöffnet hatte - beinahe träge. Aber mich erinnerte es eher an den Ausdruck einer Katze, die Langeweile vortäuschte, bevor sie mit einem Tatzenschlag ihr Opfer niederstreckt. Oder wie die Raben, von denen mir Marek erzählt hatte. Jetzt fiel mir wieder ein, dass er

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