Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
Vom Netzwerk:
verstand, war mir klar, dass nicht er das Thema vorgab, sondern darauf horchte, was sein Gegenüber interessierte.  
    Nur mich schien er davon auszuschließen, ärgerte ich mich. Vielleicht war das seine Art mich dafür zu bestrafen, dass ich ihn zum zweiten Mal in einer kompromittierenden Situation überrascht hatte. Nein, eigentlich war es sogar schon das dritte Mal, wenn ich sein seltsames Verhalten mitrechnete, als er den Rothirsch gefunden hatte.
    »Warst du in meinem Zimmer?«
    Soviel zum Thema Konversation. Seine Höflichkeitsregeln galten anscheinend nicht für jeden.
    »Meinst du mich?« Erst einmal Zeit schinden.  
    »Wen sollte ich wohl sonst meinen?«
    »Lara vielleicht?«
    Alexej runzelte die Stirn.
    »Ich wollte nur sehen, ob mit dir alles in Ordnung ist«, gab ich zu. »Schließlich bist du einfach so weggelaufen.«
    »Ich war unpässlich.«
    »Ich dachte, du könntest vielleicht Hilfe gebrauchen.«
    »Offensichtlich war das nicht der Fall.«
    Meine Güte, war der heute schlechter Laune! Ich zuckte mit den Schultern. Dann überlegte ich, dass es ihm wohl ziemlich komisch vorgekommen sein musste, dass sein Zimmer so ramponiert ausgesehen hatte. Und ich vermutete, dass das hier irgendein Test war, dem er mich unterzog.
    »Du hattest einen Vogel in deinem Zimmer. Ich habe das Fenster nicht aufbekommen und musste ihn deshalb rausholen. Das war alles. Ich hätte das arme Tier ja schlecht da drinnen lassen können, oder?«
    Er schien gar nicht überrascht. »Was für ein Vogel?«
    »Ein Rabe.«
    »Aha.« Irgendwie wirkte er zufrieden. Ob mit meiner Antwort oder mit sich selbst, konnte ich nicht beurteilen, aber mich machte dieser Ausdruck auf seinem Gesicht überhaupt nicht zufrieden. Er ärgerte mich.
    »Sehr ordentlich bist du ja nicht. Lässt du immer deine Klamotten auf dem Boden liegen?«
    »Nicht, wenn ich Besuch erwarte.«
    »Ich habe nicht bei dir rumgeschnüffelt, wenn du das meinst.«
    »Nein, das würdest du nie tun.«
    »Natürlich würde ich das nie tun!«
    »Das sagte ich ja gerade.«
    Wieso grinste er jetzt so? Ich rutschte unruhig hin und her. Neben mir schob Lara ihren Stuhl zurück.
    »Ich muss an den PC.« Sie drückte mich in den Sitz zurück, als ich Anstalten machte, ebenfalls aufzustehen.
    »Lass dir Zeit! Marek kommst du?« Marek sprang auf, als hätte er nur auf ein Zeichen von ihr gewartet.
    »Janosch? Filip?«
    Die beiden beeilten sich hinterherzukommen, und ich hörte nur noch Michala, die vor sich hinmurmelte, während sie in der Spüle hantierte. Wie es aussah, wollte Lara uns allein lassen.
    Na super! Als wäre es das, was ich jetzt gebrauchen könnte: allein in der Küche mit einem teuflisch gut aussehenden und geheimnisvollen Tschechen und dazu einer dunkelbraunen Soßenspur auf meinem weißen T-Shirt.
    Wie sollte ich bloß aufstehen, ohne dass er bemerkte, dass ich mich bekleckert hatte wie ein Kleinkind? Ich war also gefesselt, konnte nur hoffen, dass Alexej sich bald langweilte und schob die Reste meines Bratens auf dem Teller hin und her.
    »Weißt du, das im Wald -«, begann er langsam.
    »Ist schon gut, jeder hat doch so seine Eigenarten«, würgte ich seine Erklärungsversuche ab. Überrascht musterte er mich. Es war ein Blick, der mich zu röntgen schien.
    »Ist ganz schön warm hier, n-n-nicht?« War ich das, die hier so stammelte?
    »Eigentlich nicht.«
    »Puh. Äh ... ich muss dann jetzt auch mal -«
    »Warte!« Er beugte sich über den Tisch zu mir herüber. Ich konnte seinen warmen Atem in meinem Gesicht spüren und Gänsehaut überzog meine nackten Unterarme.
    »Für gewöhnlich lässt du dir doch keine Gelegenheit entgehen, Fragen zu stellen. Warum jetzt?« Er ließ mich nicht aus den Augen.
    Fragen stellen? Jetzt? Was sollte ich ihn fragen? Mein Hirn schien plötzlich nur noch eine verkümmerte feuchte Masse zu sein.
    Was er für dichte Wimpern hatte! Meine Handflächen schwitzten und ich wischte sie mir unter dem Tisch an meiner Jeans ab. Er wirkte irgendwie unsicher. Unsicher? Halluzinierte ich? Sonst strotzte er doch geradezu vor Selbstbewusstsein.
    »Es muss dir doch ziemlich merkwürdig erschienen sein.«
    Merkwürdig? Seine Augen hatten die gleiche Farbe wie ein Gewitterhimmel. Sehr blau mit dunkelgrauen Rändern.
    »Ja, merkwürdig. Normalerweise isst man ja keine Insekten. Zumindest nicht in Europa.«
    Europa? Was redete er da eigentlich? Ich sah, wie sein Mund mir unverständliche Worte formte, und mir wurde bewusst, dass ich mich besser

Weitere Kostenlose Bücher