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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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gesucht.« Das war ein Argument, das er bestimmt verstehen würde. »Und Spuren sollte man verfolgen, solange sie frisch sind.«
    »Was für Spuren denn bitte?«
    »Tierspuren. Ich glaube, etwas hat den Raben ausgegraben, den ich hinterm Haus verscharrt hatte. Du weißt schon: Alexejs Raben.«
    »Und?«
    »Hör zu, ich habe keine Ahnung, wonach ich gesucht habe, okay? Ich habe nur so ein komisches Gefühl, dass ich irgendetwas übersehen habe. Irgendwas, dass jetzt noch bedeutungslos erscheint. Aber es bedeutet etwas, verstehst du? Ich will wissen, warum die Hunde Alexej angegriffen haben. Und ich will wissen, warum dieser Rabe in seinen Armen gestorben ist. Und wieso hat sein Freund Nikolaus ihn seit acht Jahren nicht gesehen? Warum hatte Alexej ständig Fieber, ohne sich schlecht dabei zu fühlen, und wieso isst er Insekten und rohes Fleisch, wenn er sich unbeobachtet glaubt?«
    »Aber was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Ich meine, er ist fort. Es wird wieder so sein, als wäre er nie hier gewesen.«
    »Als wäre er nie hier gewesen? Wieso sagst du das?«
    Er räusperte sich geräuschvoll. »Das hat er zu mir gesagt, als er sich verabschiedete.«
    »Er hat sich von dir verabschiedet?« Ich war wie vor den Kopf geschlagen. »Aber -«
    »Er hielt es wohl nur für anständig, er wollte nicht so undankbar sein und einfach abhauen.«
    Und wenn ich ihn letzte Nacht nicht zufällig gehört hätte, was wäre dann gewesen? Hätte er sich von mir auch verabschiedet? Nein, ich war mir sicher, dass er das nicht getan hätte.
    Vielleicht waren seine Abschiedsworte doch ehrlich. Verschwende deine Gefühle nicht! Ich erwidere sie nicht.  
    Heute Morgen war ich mir noch so sicher gewesen, dass seine Körpersprache etwas ganz anderes gesagt hatte. Aber jetzt, in der Erinnerung, kamen mir Zweifel. Hatte ich mir das alles nur eingebildet?
    Ich erwidere sie nicht. Ich erwidere sie nicht.
    Wie Flammen fraßen sich diese Worte in mein Herz.
    »Jetzt fang bloß nicht an zu heulen, das kann ich gar nicht vertragen! Ach Mensch, Isa!« Marek beugte sich zu mir herunter und strubbelte mir unbeholfen über den Kopf.
    »Tut mir leid, wenn ich dich traurig gemacht habe. Ehrlich. Vielleicht kommt er ja doch noch mal zurück. Man sagt doch schnell mal was so dahin. Sicher hat er das nicht ernst gemeint.«
    Etwas in seinen Worten ließ mich aufhorchen.
    »Was genau hat er denn zu dir gesagt? Bitte, Marek, ich muss es wissen! Versuch dich zu erinnern!«
    Marek runzelte die Stirn.
    »So ganz nüchtern war ich auch nicht mehr, und außerdem war es verdammt spät.«
    Ich wischte seine Rede mit einer Handbewegung beiseite.
    »Jetzt sag schon! Was genau hat er gesagt?«, drängte ich.
    »Er hat sich dafür bedankt, dass wir ihm hier eine Unterkunft geboten haben. Was natürlich Quatsch ist, schließlich hat er ja dafür gearbeitet.«
    Ich nickte ungeduldig.
    »Jedenfalls sagte er, dass er sich bei uns wirklich wohl gefühlt hätte, und wir sollen es ihm nicht übel nehmen, wenn er geht. Er wolle uns nicht unnötig auf der Tasche liegen und so weiter. Keine Sorge, ich habe ihm schon gesagt, dass er hier bleiben kann. Lara würde mich sonst erwürgen, irgendwie hat sie einen Narren an ihm gefressen. Er hat ziemlich geschwollen dahergeredet, so wie er halt redet.« Marek zuckte mit den Schultern.
    »Und weiter?«
    »Und dann habe ich ihm gesagt, dass Michala wohl ziemlich traurig sein würde, wenn er geht. Darüber hat er gelacht.«
    Ich schürzte enttäuscht die Lippen. »Und sonst hat er nichts gesagt?«
    »Nur noch, dass er keine Abdrücke in unserem Leben hinterlassen wolle. Seltsamer Satz, nicht wahr?« Er kratzte sich am Kopf. »Ich glaube, er hat ein bisschen zu tief ins Glas geguckt. Er sagte, Michala würde ihn wohl nicht zu lange vermissen, weil er nie Spuren hinterließ. Was soll das denn bedeuten?«
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand ich hilflos.
    Und ich grübelte lange darüber nach und dann, ganz plötzlich, wusste ich genau, was er damit hatte sagen wollen.
    Denn wie sollte man sich an jemanden erinnern, wenn er nichts hinterließ?
    Wonach sollte man suchen, wenn jemand unsichtbar im Wald verschwunden war?
    Und wie durfte ich hoffen, Alexej zu finden, wenn es überhaupt keine Spuren gab, die bezeugen konnten, dass er jemals existiert hatte?

Freiflug
     
     
     
    J aro war zu schwach, um sich länger im Ruderflug fortzubewegen. Er sah beängstigend schlecht aus: Sein dunkles Gefieder war zerrupft und hatte jeglichen Glanz verloren.

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